Essen. Ob Fernseher, Butter oder Kleider: Händler kommen oft nur über Preisabschläge mit den Verbrauchern ins Geschäft. Im Deutschen Einzelhandel tobt mittlerweile der DSV - der Dauer-Schlussverkauf.
„So billig war's noch nie! Bis zu 70 Prozent Rabatt!” Was sich wie ein Werbespruch aus dem aktuellen Sommerschlussverkauf (SSV) liest, stand schon vor vier Wochen in der Anzeige eines Bekleidungshauses. Und in einem Monat werden Händler vermutlich mit 80 Prozent in die Rabattschlacht ziehen. Das macht deutlich: Im deutschen Einzelhandel tobt inzwischen der DSV, der Dauerschlussverkauf. Der Preiskampf zieht sich längst durch fast alle Handelsbereiche. Ob Textilien, Lebensmittel oder Konsumelektronik – die Verbraucher können sich fast überall über günstige Angebote freuen.
Die Kunden sind im 'Spar-Modus'
Das kommt nicht von ungefähr: Die Wirtschaftskrise zeigt hier eine positive Auswirkung. Da wirtschaftlich verunsicherte Menschen instinktiv auf Sparen umschalten, gehen die Umsätze im Einzelhandel kontinuierlich zurück. Im ersten Halbjahr 2009 waren es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2,1 Prozent. Deshalb versuchen Händler, mit den Verbrauchern über Preisabschläge ins Geschäft zu kommen.
Besonders spektakulär ging es dabei im Lebensmittelhandel zu: Seit Anfang des Jahres haben allen voran die Discounter mit riesigem Werbeaufwand mehrere „Preisoffensiven” gestartet. Ob Milch, Brot, Butter, Käse, Wurst, Nudeln oder Schokolade – jeder der führenden Billiganbieter reduzierte im Laufe der Monate rund 100 seiner Artikel um bis zu 20 Prozent. Das Gros des Sortiments blieb zumindest preisstabil.
Mit Eigenmarken an der Preisschraube drehen
Aber das typische Lebensmittelangebot bei Discountern und in Supermärkten wird häufig auch neu gemischt. Um noch preiswerter anbieten zu können, setzt der Handel immer mehr auf Eigenmarken. Dahinter verbergen sich meist Markenartikel, die von renommierten Herstellern in anderer Aufmachung für die Handelsketten produziert und von denen viele um ein Drittel günstiger angeboten werden.
Die Verbraucher sind zufrieden. Denn im vergangenen Jahr hatten sie wegen extrem steigender Rohstoffpreise bei Lebensmitteln noch eine deutliche Teuerung von fünf Prozent schlucken müssen. Die Folgen schmeckten dem Handel gar nicht: Die in der Branche als Preissensibelchen berühmt-berüchtigten deutschen Kunden hatten mit Kaufverweigerung reagiert. So sank 2008 der Absatz von Milch, Fleisch und Eiern deutlich. Dieser Trend konnte im Krisenjahr 2009 vermutlich nur durch die Preisabschläge umgekehrt werden.
Flachfernseher 20 Prozent billiger als vor einem Jahr
Ähnlich läuft es jetzt bei der Konsumelektronik. Da berichtet der Metro-Konzern, dass seine Saturn- und Media-Märkte kräftige Umsatzsteigerungen verbuchen können. Und das mitten in der Krise. Aber bei dem enormen Preisrutsch in der Branche kann der typische Schnäppchenjäger offenbar kaum widerstehen. So kosteten LCD-Flachfernseher Ende März (das sind die aktuellsten Zahlen) knapp 20 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Nach Angaben der Gesellschaft für Unterhaltungselektronik lagen die Preise für Plasma-Fernseher um 26 Prozent niedriger. Camcorder und Notebooks waren jeweils 16 Prozent billiger, USB-Sticks 26 Prozent und PC-Monitore 30 Prozent. Navis kosteten im Schnitt 15 Prozent weniger als vor Jahresfrist.
Das riesige Geschäft mit großen Fernsehern kommt nicht von ungefähr. Für Psychologen ist das ebenfalls eine Krisenfolge: Da viele Menschen „das Elend da draußen” nicht mehr sehen wollen, igeln sie sich in ihrer häuslichen Umgebung ein, machen es sich möglichst gemütlich. Auch Anbieter von Möbeln und Gartenutensilien profitieren auf diese Weise oft von Krisen.
Wie lange sich der Handel noch durch die unsicheren Zeiten hangeln kann, ist ungewiss. Es mehren sich die Stimmen, die vor einer bald kräftigen Abkühlung des Konsumklimas warnen. So erwartet Rewe, zweitgrößter Lebensmittelhändler in der Republik, einen „schwierigen Herbst und Winter”. Nach einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen dürfte die Konsumlaune schnell abkühlen, befürchtet der Konzern. Und selbst die Discounter, die ihren Marktanteil in Deutschland seit Jahren stetig auf zuletzt 44 Prozent erhöht haben, spüren laut Gesellschaft für Konsumforschung erstmals leichten Gegenwind. Doch das könnte bedeuten, dass die Billiganbieter nach den Ferien neue „Preisoffensiven” starten.