L'Aquila. Nachts gab es nur kleinere Erdstöße, die in der bebensicher gebauten Polizeischule, dem G-8-Tagungsort, und der Schlafstätte der Mächtigen in L'Aquila, nicht zu spüren waren. Gut ausgeruht trafen sich daher die Gipfelteilnehmer zu Gesprächen in erweiterter Runde.
Die fünf Schwellenländer China, Indien, Südafrika, Mexiko und Brasilien waren dabei. Außerdem, auf italienischen Wunsch, Ägypten. Am Nachmittag wurde die Runde noch um Australien, Südkorea und Indonesien erweitert. Kanzlerin Angela Merkel fiel in ihrem eierschalfarbenen Hosenanzug auf, als einzige Frau in dieser Herrengesellschaft.
Beim obligatorischen „Familienfoto” nahmen sich die Teilnehmer solidarisch an den Händen. „Wir wollen alle vorwärtskommen”, meinte G-8-Präsident Silvio Berlusconi optimistisch. Doch echte Einigkeit zu so konfliktreichen Themen wie Klimaschutz und Welthandel musste erst noch erarbeitet werden. Immerhin scheint es schon echte Fortschritte beim Klimaschutz zu geben. Der Kompromiss vom Vortag, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, sei im Wesentlichen sogar von China akzeptiert worden. Aber dieses Ziel geht einigen nicht weit genug. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und verschiedene Umweltorganisationen bezeichneten es als „nicht ausreichend”.
Schon im Vorfeld hatte es unter den G-8-Teilnehmern einen wichtigen Austausch über das Iranproblem gegeben. Sie setzen Teheran eine Frist bis zum G20-Gipfel im September. Bis dahin räumen die Teilnehmer Iran die Chance zu Verhandlungen ein. Bei Nichteinigung würden danach Sanktionen fällig. In einer gemeinsamen Erklärung äußerten die Regierungschefs „ernsthafte Besorgnis” über die Gewalt im Iran nach der Präsidentschaftswahl. Und sie verurteilten die Holocaustleugnung der Iraner Führung. Kanzlerin Merkel zeigte sich optimistisch: Die neue Offenheit der USA unter Präsident Obama zum Iran-Problem sei eine „historische Chance”, möglicherweise ohne Sanktionen auskommen zu können. Obama stürmt derweil auf diplomatischem Parkett nach vorn. Er konkretisierte seinen Vorschlag für einen Gipfel zur atomaren Sicherheit in den USA im März. Er will Staats- und Regierungschefs von 25 bis 30 Ländern einladen. Eine Strategie gegen Atomwaffen in den Händen von Terroristen sei „Chefsache”.
Die First Ladies – Merkels Ehemann war nicht nach Italien mitgekommen – machten derweil ihre Solidaritätsbesuche im zerstörten historischen Zentrum von L'Aquila und den Zeltstädten rings herum. Vor dem eingestürzten Studentenheim – acht Bewohner waren darunter gestorben – stand Michelle Obama lange ergriffen still. Nur Vogelgezwitscher war zu hören in der abgesperrten und menschenleeren City. In einer Zeltstadt erwartete die Frauen der Gipfelteilnehmer origineller Protest: Schilder in vielen Sprachen hatten sich junge Frauen auf die Brust geheftet.
Die „First Ladies” konnten lesen, dass sie vielen „Last Ladies” gegenüberstanden – letzte Damen, die für lange Zeit kein festes Dach über sich haben werden. Michelle, in Weißgelb gekleidet und mit hochgesteckter Frisur, zeigte Verständnis: „Mein Mann und ich sind sehr betroffen von dem, was wir hier sehen. Wir werden alles tun, um euch zu unterstützen.” Ein Versprechen ganz im Sinne von Berlusconi, der ja mit der Verlegung des G-8-Gipfels ins Katastrophengebiet internationale Solidarität erzielen wollte.
Ihren großen Auftritt hatten am Rande auch die Vertreter des Junior 8-Gipfels: 56 Jugendliche aus G14-Ländern, die zuvor mehrere Tage in Rom über dieselben Themen beraten hatten wie die Mächtigen der Welt.