Washington. Gerade erst Präsident – und jetzt Friedensnobelpreisträger. Die Blitzstart-Karriere dürfte Barack Obama selbst am meisten überraschen. Schon die Krone der Präsidentschaftskandidatur und der anschließende Einzug ins Weiße Haus waren ein Wunder.

Als der junge Senator aus Illinois mit dem seltsamen Vornamen im Februar 2007 seinen Hut für die Präsidentschaftskandidatur der demokratischen Partei in den Ring warf, räumte ihm alle Welt nur mitleidig Außenseiterchancen ein. Die große Favoritin für die Bush-Nachfolge hieß immerhin Hillary Clinton, ein Name mit Klang. Doch mit seinem Charisma, seiner rhetorischen Brillanz und dem Versprechen auf Wandel und Versöhnung löste Obama in den USA in den folgenden Monaten eine Welle der Begeisterung aus, die selbst seine Konkurrentin mit dem großen Namen wegspülte.

Sehnsucht nach Aufbruch

„Yes, we can” – Obamas zündender Schlachtruf war das Versprechen, das Land nach den bitteren politischen Auseinandersetzungen der Jahre unter George W. Bush in eine bessere Zukunft zu führen. Auf eine Figur wie ihn hatte das Land gewartet. Die Sehnsucht der Amerikaner nach neuem Anfang, nach Aufbruch, verkörperte sich in diesem hoch gewachsenen, athletischen Politiker, dessen Leben so gänzlich anders verlief als das seiner Konkurrenten und der meisten seiner Landsleute.

Sohn einer weißen, amerikanischen Mutter aus dem eintönigen Kansas und eines ehrgeizigen schwarzen kenianischen Vaters, der als Kind Ziegen hütete – mit einem solchen Hintergrund in das höchste Amt aufzusteigen, „ist nur in Amerika möglich”, sagt Obama, Amerikas erster schwarzer Präsident, selbst voller Bewunderung für die USA.

Obamas Biografie, sein Leben zwischen allen Stühlen, die Suche nach seiner Identität im Spannungsfeld von Schwarz und Weiß, prägt ganz entscheidend das politische Programm des heute gerade 48-Jährigen. Dass ihm Regierungserfahrung fehlte, wusste er stets mit dem Argument zu kontern, statt dessen das wahre Leben zu kennen. „Meine Reise begann in den Straßen von Chicago, wo ich dafür kämpfte, das Leben der Menschen ein bisschen besser zu machen.”

Der amerikanische Traum

Für 12 000 Dollar Jahresgehalt arbeitete Obama nach seinem brillanten Jura-Studium in Harvard ein paar Jahre als eine Art Sozialarbeiter in einer trostlosen Armensiedlung Süd-Chicagos, in der Arbeitslosigkeit, Gewalt und Drogen das Leben vieler Menschen prägen. Seine eigene Biografie mit all ihren Brüchen und der feste Glaube an den amerikanischen Traum dienen ihm bis heute als Blaupause für die Hoffnung, die Welt tatsächlich zum Besseren ändern zu können. Wie ein Wanderprediger trägt Obama seine unerschütterliche Überzeugung vor sich her, dass Glaube Berge versetzen kann.

Anders, als viele afroamerikanische US-Politiker ist Obama indes nicht in der schwarzen Bürgerrechtsbewegung verwurzelt. Vorteil und Nachteil ist das zugleich. Der weißen Wählerschaft machte Obama, der in Indonesien und bei den Großeltern auf Hawaii groß wurde, keine Angst, während er sich den Respekt vieler Schwarzer, denen er „zu weiß” war, erst verdienen musste.

Versöhner, Brückenbauer, Friedensstifter, Konsens statt Konfrontation, dazu aber auch eine gehörige Portion Pragmatismus – Obama, der Vater zweier Töchter, ist alles andere als ein weltfremder, naiver Träumer. „Hoffnung bedeutet nicht, dass man sich etwas wünscht, sondern dass man sich für seine Ziele einsetzt, sich für sie abrackert – und manchmal auch für sie stirbt.” In zwei Büchern, die zu Bestsellern wurden, hat er schon früh den Weg zu dieser Erkenntnis und Überzeugung beschrieben.

Im politischen Alltag Washingtons hat Obama in den ersten Monaten seiner Amtszeit inzwischen freilich eine ganze Menge Lehrgeld zahlen müssen. Und selbst in der eigenen Anhängerschaft machen sich Ernüchterung und Enttäuschung breit. Zwischen Vision und rauer Wirklichkeit liegen Welten. Und längst mehren sich offen Zweifel an Obamas Führungskraft. Ob er ohne die Unterstützung seiner Frau, mit der er seit ziemlich genau 17 Jahren verheiratet ist, so weit nach oben gekommen wäre, ist eher unwahrscheinlich. Michelle Obama, die aus bescheidenen Verhältnissen stammt und ihm zuliebe eine brillante Karriere opferte, ist die starke Kraft hinter dem Präsidenten. „Sie ist der Boss” – nie hat Obama daraus einen Hehl gemacht.