Berlin/Leinfelden-Echterdingen. Für die FDPAbgeordnete Judith Skudelny (34) war es das Selbstverständlichste von der Welt. Doch dass sie ihr Baby mit in die Sitzung des Deutschen Bundestags nahm, sorgte im hohen Haus für Irritationen. Das hatten bis dato noch nicht mal die Grünen gemacht.

„Ich habe nicht im Traum daran gedacht, dass das ein Problem werden könnte.” Judith Skudelny (34) sagt das ein bisschen atemlos. Ihr ist anzuhören, dass sie es immer noch nicht glauben kann. Judith Skudelny ist eine der Neuen in Berlin. Gleich bei der konstituierenden Sitzung bescherte die Liberale unbeabsichtigt dem Deutschen Bundestag eine Premiere: Sie brachte ihr vier Monate junges Töchterlein mit. In diesem hohen Hause hatte das noch niemand gewagt. Nicht einmal Grüne.

Keine Betreuung verfügbar

„Ich hatte es freilich im Vorfeld angekündigt, und dachte auch, es wäre geklärt. Aber dann gab es doch noch Diskussionen in der Bundestagsverwaltung, direkt vor der Sitzung. Guido Westerwelle hat mir dann sehr geholfen, mich einfach mit reingenommen”, seufzt die Baden-Württembergerin.

Nicht alltäglich

Babys in der Politik

Es gibt keine Regel, ob Abgeordnete ihr Baby in den Bundestag mitbringen dürfen oder nicht. Judith Skudelny bekam eine „Duldung” für zwei Tage. Grundsätzliches müsste der Ältestenrat regeln. Das gilt auch für Landtage. Im Berliner Parlament hatte sich kürzlich eine CDU-Abgeordnete über eine stillende Mutter in der dritten Reihe beschwert. Der Präsident schickte die Mutter in die letzte Reihe. Peer Steinbrück (SPD) setzte anno 2002 als Ministerpräsident bei einer Sitzung des Koalitionsausschusses eine grüne Kollegin vor die Tür, weil sie ihren zwei Monate kleinen Sohn mitgebracht hatte. Er machte sich damit wenig Freunde.

Dass sie es für eine Selbstverständlichkeit hielt, ihr Baby mitnehmen zu können, hat bei der jungen Mutter wenig mit Naivität zu tun. Die Frau arbeitet seit sieben Jahren als Insolvenzverwalterin. Rosarote Brillen sind in dieser Branche eher selten. Skudelny hat einfach bisher andere Erfahrungen gemacht, mit ihrem dreijährigen Sohn und einem berufstätigen Ehemann. Wenn gerade alle Versorgungssysteme versagten, war bislang eben auch der Sohn mit in der Kanzlei oder beim Insolvenztermin. Probleme gab es nie.

Überhaupt: Probleme. Das Wort scheint in ihrem Wortschatz keine wesentliche Rolle zu spielen. „Ich gehe immer davon aus, dass Plan A klappt. Wenn das nicht der Fall ist, kann ich immer noch über Plan B nachdenken.” Während sie das erklärt, gibt ihr Sohnemann im Hintergrund gerade alles, um Mamas Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Töchterlein himmelt indes den großen Bruder an. Der Sohn bekommt ein liebevolles, aber bestimmtes „gleich” zur Antwort, und schon ist die Frau wieder im Thema: vier Berufe gleichzeitig. Als Insolvenzverwalterin arbeite sie nur noch soviel wie nötig, um drin zu bleiben. Um sich nicht ganz der Politik auszuliefern. „Ich möchte mir meine Gewissensfreiheit bewahren.”

Mehr an Alleinerziehende denken

Als Stadträtin will sie auf jeden Fall am Ball bleiben. „Um die Auswirkungen der Berliner Beschlüsse vor Ort überprüfen zu können. Das ist wichtig.” Als Beispiel nennt sie die Versicherungspflicht für Tagesmütter. „Daraufhin wollten hier in unserer Gemeinde viele nicht mehr als Tagesmutter arbeiten. Weil es sich finanziell nicht lohnte.”

Eine Liberale ist die zierliche Frau mit der scheinbar unerschöpflichen Energie übrigens, seit sie 18 Jahre war. In die FDP trat sie 1998 ein, Insolvenzverwalterin wurde sie mit 27 Jahren, Stadträtin ist sie seit 2004. In Berlin will sich die Tochter einer Journalistin und eines Physikers eigentlich nicht um Familienpolitik kümmern: Obwohl sie dazu eine klare Meinung hat. Dass man dabei nämlich endlich die Politik der Realität anpassen muss. Sie fordert, mehr an Alleinerziehende zu denken, die zum Beispiel in Schul- und Kindergartenferien vor unlösbaren Problemen stehen, wenn sie berufstätig sind. Aber in Berlin will sie sich für die FDP um die Umwelt kümmern. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen.

Lebensmittelpunkt bleibt Leinfelden-Echterdingen

Sicher ist Judith Skudelny aber, dass sie ihren Lebensmittelpunkt im heimischen Leinfelden-Echterdingen behalten will. Dass ihr kleiner Sohn dort im Kindergarten bei seinen Freunden bleiben und auch ihr Töchterlein dort aufwachsen soll. Nur im ersten halben Jahr will sie die Kleine so viel wie irgend möglich bei sich haben. Öffentlich stillen aber ist kein Thema für sie. Obwohl das Stillzimmer im Bundestag auf der Besucherebene liegt und man von dort nur sehr umständlich zurück zum Abgeordnetentrakt kommt. . .