Berlin. Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag ist oft vage formuliert. Viele Kann, Wenn, Aber. Manche Antworten auf brisante Finanzierungs-Fragen werden verschoben. Der große Trend: Geringere Steuern, höhere Abgaben. Was ändert sich in den nächsten vier Jahren?
Für die Steuerzahler:
Zum 1. Januar 2010 bleibt es dabei, dass eine Steuerentlastung von 14 Milliarden Euro eintritt – so durch die höhere Absetzbarkeit von Krankenkassenbeiträgen und die Absenkung beim Eingangssteuersatz. Im Lauf der Wahlperiode sollen mittlere und kleinere Einkommen um weitere 24 Milliarden Euro entlastet werden – vor allem bei der Lohn- und Einkommensteuer.
Für Familien und Bildung:
Kinderfreibetrag und Kindergeld steigen. Der Freibetrag klettert ab 1. Januar 2010 von 6024 auf 7008 Euro. Das Kindergeld wird für das erste und zweite Kind von 164 auf 184 Euro erhöht, für dritte Kinder von 170 auf 190 Euro, für jedes weitere auf 215 Euro (vorher 195).
Der Staat überweist Neugeborenen 150 Euro als Startbetrag auf ein „Zukunftskonto”. Ab 2013 gibt es für Kinder unter drei Jahren ein Betreuungsgeld von 150 Euro, wenn sie zuhause betreut werden – als Gutschein, wenn nicht sicher ist, dass das Geld beim Kind ankommt.
Das Stipendiensystem wird erweitert. Insgesamt will der Staat jährlich drei Milliarden Euro mehr für die Bildung ausgeben.
Für Erben:
Geschwister und Neffen/Nichten von Verstorbenen werden mit Steuersätzen zwischen 15 und 43 Prozent weniger Erbschaftssteuer zahlen. Das Vererben von Unternehmen wird erleichtert.
Für die Verbraucher:
Die Mehrwertsteuer für Hotels und Gaststätten sinkt von 19 auf sieben Prozent. Ob sie auf Postleistungen erhoben wird, wird geprüft. Die „Lebensmittel-Ampel” kommt nicht. Schlachtabfälle werden eingefärbt, damit sie nicht als Gammelfleisch verkauft werden können.
Für die Kommunen:
Eine Kommission prüft, ob die Gewerbesteuer der Kommunen abgeschafft und durch einen höheren Anteil der Rathäuser an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf Einkommen- und Körperschaftssteuer ersetzt wird.
Für die Arbeitnehmer:
Es gibt keinen gesetzlichen Mindestlohn. Die bestehenden Branchen-Regelungen werden 2011 auf ihre Wirkung überprüft. Arbeitnehmer sollen in ihren Betrieben vor der elektronischen „Daten-Spionage” ihrer Arbeitgeber geschützt werden. Dazu kommt eine neue Passage ins Datenschutzgesetz.
Für die Arbeitslosen:
Bei Landzeitarbeitslosen wird das Schonvermögen auf 750 Euro pro Lebensjahr erhöht, soweit es der Alterssicherung dient. Selbstgenutzte Immobilien werden vor dem Zugriff des Staates geschützt. Der Hinzuverdienst, der nicht auf das ALG II angerechnet wird, wird angehoben. Wohn-, Wohnneben- und Energiekosten werden als Pauschale erstattet.
Für Patienten und Pflegebedürftige:
Kranken- wie Pflegeversicherungen werden für Normalverdiener wohl teurer. Arbeitgeber werden entlastet. Bei der Pflege wird ein pauschaler Beitrag der Arbeitnehmer zum Aufbau einer Versicherung als Pflicht eingeführt. Bei der Gesundheit gibt es Veränderungen erst ab 2011: Eine Kommission prüft, ob der Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung eingefroren wird, Beitragserhöhungen gehen dann zu Lasten nur der Arbeitnehmer. Im Gespräch: Ein fester Versicherungsbeitrag pro Kopf unabhängig vom Einkommen. Für Geringverdiener ist ein Ausgleich geplant.
Für die Energiewirtschaft:
Es bleibt beim Ausstiegsplan aus dem Kohle-Bergbau. CO2-Pipelines werden rechtlich möglich gemacht. Atomkraftwerken wird unter Auflagen eine längere Laufzeit erlaubt. Experten erkunden, ob Gorleben den Standards für sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle entspricht.
Für die Autofahrer:
Eine Pkw-Maut ist nicht ausgeschlossen, Straßenbaukosten sollen langfristig nicht mehr aus dem Haushalt bezahlt werden. Der Trend geht hin zur Nutzergebühr. Standstreifen der Autobahnen sollen zu Spitzenzeiten genutzt werden können. Das Punkte-System in Flensburg kommt auf den Prüfstand. Autofahrer werden wieder leichter Umweltzonen befahren können. Ausnahmeregeln werden bundesweit vereinheitlicht.
Für Bundeswehrsoldaten:
Die Wehrpflicht wird von neun auf sechs Monate verkürzt. Die Zivildienstdauer soll angepasst werden. Die neue Bundesregierung wird mit der Nato und den Amerikanern über einen Abzug der letzten Atomwaffen verhandeln. Deutschland will aus dem Einsatz der Bundesmarine vor Libanon aussteigen.
Für Mütter in Not:
Die Koalition will Frauen in Notlagen mit dem Angebot einer „vertraulichen Geburt” helfen. Dabei müssen Ärzte/Hebammen Daten der Mutter nicht ans Meldeamt geben.
Für die Sicherheit:
Die Jugendstrafe wird bei Mord auf 15 Jahre erhöht. Ein „Warnschuss-Arrest” wird geplant. Weitgehende Verschärfungs-Pläne der alten Koalition werden aber überprüft (BKA-Gesetz) oder ausgesetzt (Vorratsdaten-Speicherung). Ein heimliches Internet-Ausspähen kommt nicht. Eine zentrale Warndatei wird geschaffen, in der Visa-Betrüger gespeichert sind.