Essen. "Wo bleibt das Elektroauto?" fragte die ARD vorgestern im Untertitel ihres Nachklapps zur am Sonntag beendeten IAA, auf der das Batterieauto im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung stand. Meine Antwort: Das Batterieauto fährt noch da, wo der Yeti wohnt: Ganz weit weg.
Die IAA ist‚ rum. „Ein Glück!“, möchte man ausrufen, zumindest angesichts der Tatsache, dass Skodas Maskottchen Yeti jetzt zurück in die tiefsten Tiefen des Himalaya gereist ist. Oder zumindest des Riesengebirges, wo sich hoffentlich die nationale Tschechische Sagengestalt Rübezahl seiner annimmt. Angesichts des erschreckend verzottelten Yetis kann man hoffen, dass es auf der nächsten IAA keine neuen Skodas unter dem Namen „Bigfoot“ oder „Moby Dick“ geben möge, die durch entsprechende Figuren zum Leben erweckt werden müssten. Geschweige den ein Yeti-Sondermodell Reinhold Messner.
Die IAA des allgegenwärtigen Elektroautos (das Bild zeigt das Septemberheft-Cover des Fraunhofer-Magazins "weiter.vorn" mit dem Titelthema "Mit dem Strom fahren") ist natürlich auch das geborene Umfeld für Verschwörungstheoretiker, die den dunklen Mächten der Industrie böse Machtkomplotte gegen alles Neue unterstellen. Am vergangenen Dienstag durfte im IAA-Nachgang so ein Team in der ARD ran. 45 Minuten lang wurde um 23 Uhr unter dem Titel "Strom im Tank" die Welt in Schwarz und Weiß geteilt.
"Who killed the Electric Car?"
Die Guten sind die kalifornischen Jungs von Tesla mit ihrem stromernden Roadster, Better Place mit ihrem Batteriewechselsystem für Elektroautos inklusive Sponsor Renault und natürlich Toyota mit seinen Hybriden. Die Bösen wahlweise Blöden sind natürlich alle deutschen Autobauer, vorneweg Volkswagen, und natürlich General Motors.
Die Schwarzen wollen nämlich ihre über hundert Jahre entwickelten Otto-Motoren nicht aufgeben. General Motors darf nie verziehen werden, dass man vor 15 Jahren das Elektroauto EV1 nicht in Serie gebaut hat, sondern die Prototypenflotte verschrottete. Das filmische Standardwerk, auch im Abspann von "Strom im Tank" gelistet, trägt als Titel die rhetorische Frage: "Who Killed the Electric Car?"
Kurz ist die Quintessenz der Verschwörungstheoretiker: In den meisten Konzernzentralen der Autowelt regieren die selben alten Männer, die vor Jahrzehnten den Wankelmotor sabotiert haben, den Stirling-Motor nicht wollen, fortschrittlich Patente aufkaufen und dann wegsperren, Umweltschutz nur vorgaukeln und fortschrittlich denkende Konkurrenten entweder übernehmen oder fertigmachen (Borgward).
Batterieauto auf absehbare Zeit zu teuer
Nichts von diesem ewig wiederholten Schwachsinn ist wahr. Auf den Markt kommt nur, was am Markt verkauft werden kann, was die Kunden bezahlen wollen, weil es sich für sie auszahlt. Das verbliebene Dutzend großer Auto-Hersteller belauert sich permanent. Und würde sich eine Chance ergeben, einen Vorteil auszuschlachten, dann würde es einer mit tödlicher Gewissheit tun. So wie es jetzt Renault versucht, in dem man zusammen mit Better Place viel auf eine Karte setzt, ohne zu wissen, ob sie sticht.
Solange aber eine mit einem Literchen Benzin vergleichbare Batteriespeicherkapazität 80 Kilogramm wiegt und 8000 Euro kostet, braucht man keine Verschwörung, damit das Elektroauto in der Nische versauert. Selbst, wenn der Strom verschenkt wird, ist ein Batterieauto auf absehbare Zeit zu teuer, zu schwer oder zu klein sowie zu unpraktisch, um sich massenhaft zu verkaufen. Der Kampf um die Zukunft des Autos wird nicht in Hinterzimmern entschieden, sondern gnadenlos auf der Straße des Erfolges ausgetragen. Alles andere ist Meinungs- und manchmal auch Geschäftemacherei.