Berlin. Rentenkürzungen sollen gesetzlich ausgeschlossen werden. Das beschloss das Bundeskabinett in Berlin. Auch wenn Löhne und Gehälter sinken, werden die Renten, die an die Entwicklung der Lohnsumme gekoppelt sind, nicht abgesenkt. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Kann die Rente theoretisch gekürzt werden?
Wenn die vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzesänderung vom Parlament beschlossen wird, sind Rentenkürzungen für alle Zeiten ausgeschlossen. Damit wird ein wesentlicher Grundsatz der gesetzlichen Renten teilweise außer Kraft gesetzt. Seit 1957 gilt die Regel, dass sich die Renten so entwickeln wie die Löhne. Bekommen die Arbeitnehmer im Durchschnitt zwei Prozent mehr Lohn, steigen auch die Altersbezüge um diesen Wert an. Gleiches galt bisher aber auch umgekehrt. Sinkende Löhne sollten auch zu einer Rentenkürzung führen. Dazu ist es in der Praxis nie gekommen. Das könnte sich im kommenden Jahr ändern. Die vielen Kurzarbeiter, Lohneinbußen in Krisenbetrieben und eine zunehmende Arbeitslosigkeit könnten rückläufige Durchschnittslöhne nach sich ziehen. Wenn dies tatsächlich eintrifft, müssten die Renten 2010 erstmals gekürzt werden. Das schließt die große Koalition nun per Gesetz aus.
Wer muss den Bestandsschutz bezahlen?
Kosten entstehen nur, wenn die Entgelte der Arbeitnehmer wirklich zurückgehen. Dann werden zunächst die Rücklagen der Rentenversicherung – derzeit etwa 16 Milliarden Euro – aufgezehrt. In den darauf folgenden Jahren holt sich die Rentenkasse den Mehraufwand wieder von den Rentnern zurück. Steigt die Rente beispielsweise um zwei Prozent, gibt es nur die Hälfte wirklich. Der zweite Teil wird einbehalten, bis die zusätzlichen Ausgaben wieder ausgeglichen worden sind.
Wird es überhaupt noch Rentenerhöhungen geben?
In diesem Jahr können sich die rund 20 Millionen Rentner wohl zum vorerst letzten Mal über einen Einkommenszuwachs freuen. Im Juli steigen die Bezüge im Westen um 2,4 Prozent und im Osten um 3,4 Prozent an. Im nächsten Jahrzehnt wird es wahrscheinlich zunächst mehrere Nullrunden geben. Ein Grund dafür ist die Wirtschaftskrise, die mehr Arbeitslose mit sich bringt und die Löhne unter Druck geraten lässt. Darüber hinaus dämpfen mehrere Faktoren die jährliche Rentenanpassung. Damit soll das Rentenniveau langfristig abgesenkt werden, damit die Altersgelder auch für die nächsten Generationen noch bezahlbar bleiben.
Ist die Schutzklausel gerechtfertigt?
Das ist umstritten. Denn die Rentner werden zu ihren Gunsten von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt. Selbst wenn die Löhne der Arbeitnehmer irgendwann einmal drastisch fallen sollten, gäbe es keine Rentenkürzung. Im schlechtesten Fall, wenn die Rücklagen der Rentenversicherung aufgebraucht sind und die Löhne mehrere Jahre lang nicht steigen, müsste der Steuerzahler für die Garantie gerade stehen. Arbeitsminister Olaf Scholz verteidigt dagegen die Entscheidung, weil die Regierung nicht nur den Rentnern, sondern auch den Arbeitnehmern helfe. Der SPD-Politiker verweist auf die Milliardenförderung für den Erhalt von Arbeitsplätzen, zum Beispiel das Kurzarbeitergeld. Vor allem begründet Scholz die Schutzklausel mit dem Argument, dass bei sinkenden Renten das Vertrauen in das Altersvorsorgesystem verloren gehen könnte.
Steigen nun die Rentenbeiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?
Ein Anstieg der Rentenbeiträge über die Marke von 20 Prozent soll bis Ende des nächsten Jahrzehnts verhindert werden. Die Beiträge bleiben also stabil. Dieses Ziel ist nach Angaben des Arbeitsministers nicht gefährdet.
Wie sicher ist das Rentensystem noch?
Die letzten Reformen haben die gesetzliche Rente grundsätzlich für einen langen Zeitraum gesichert. Der Preis dafür ist jedoch ein sinkendes Rentenniveau und eine Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre. Ohne eine private oder betriebliche Zusatzvorsorge können künftige Rentner ihren Lebensstandard im Alter kaum halten. Die Altersarmut wird in den nächsten Jahrzehnten ansteigen.
Warum wird um die Rente so heftig debattiert?
Die Macht der Rentner ist enorm. 20 Millionen Ruheständler können eine Wahl entscheiden. Deshalb profilieren sich Regierungen in Wahlkämpfen besonders gern als Sachwalter der älteren Generationen. Und der Anteil der Senioren wächst weiter an. Bei der übernächsten Bundestagswahl stellen die über 50-Jährigen schon die Mehrheit der Wähler.
Auch in der Vergangenheit wurde immer wieder heftig über die Rentenpolitik gestritten. So gerieten sich der Vater des Wirtschaftswunders, Ludwig Ehrhard, und der erste Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer, 1957 mächtig in die Haare. Adenauer wollte eine Rente durchsetzen, die mit den Löhnen steigt. Ehrhard glaubte, dies sei nicht finanzierbar. Der Bundeskanzler setzte damals durch. Davon profitieren die Rentner noch heute.