Berlin. Ronald Pofalla führte in der CDU einen Beschluss herbei, wonach die Mitbestimmung bei den Koalitionsverhandlungen nicht zur Disposition steht. Der CDU-Generalsekretär und Sozialminister in spe will den Konsens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht kündigen.
Der CDU-Generalsekretär wurde in eigener Sache vorstellig. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Pofalla Sozialminister werden soll. Er leitet die Arbeitsgruppe „Soziales” und sitzt zugleich in der 27-köpfigen Spitzenrunde, in der über den Koalitionsvertrag letzthin entschieden wird.
Die Wirtschaftsexperten von Union und FDP nennen diese Runde das „Zentralkomitee” (ZK). Wann immer in oder zwischen Arbeitsgruppen Streit herrscht, heißt es: „Das muss das ZK entscheiden.” Das war häufiger der Fall, als es den Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) lieb sein kann. Sie müssen am nächsten Wochenende in einer Klausur alle Streitfragen ausräumen.
Keine Systemwechsel
Die erste Woche verlief zwar friedlich und harmonisch, war aber unverbindlich. Mehrmals wurden die Unterhändler mit Hinweis auf das ZK vertröstet. Große Zugeständnisse rangen die Liberalen der Union nicht ab, weder in der inneren Sicherheit noch in der Gesundheitspolitik, geschweige denn Pofalla. Er will nicht das Vorurteil bestätigen, die neue Koalition sei kalt und neoliberal. Systemwechsel und radikale Brüche sind nicht drin.
Wie konsensorientiert Pofalla an die Aufgabe herangeht, zeigt seine Begründung, warum die Mitbestimmung nicht angetastet werden soll. Er will den Konsens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht kündigen. Die Arbeitsgruppe Wirtschaft hatte sich zuvor dafür stark gemacht, dass Betriebsräte nur in Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten gebildet werden.
Spielraum für Steuersenkungen
Aussichtslos sind auch die die FDP-Forderungen, Hartz IV durch ein Bürgergeld zu ersetzen, Öffnungsklauseln für betriebliche Bündnisse durchzusetzen, die Agentur für Arbeit aufzulösen, Mindestlöhne zu überprüfen oder den Kündigungsschutz zu lockern.
Eine Vorverständigung unter den Fachleuten gibt es allerdings darüber, Schonvermögen und Hinzuverdienstgrenzen für ALG-II-Empfänger zu erhöhen. Dann wäre Pofalla der Sozialminister, der die Gerechtigkeitslücken von Rot-Grün schließen würde...
Ähnlich ernüchternd für die FDP verlaufen auch die Gespräche auf anderen Feldern. Nachdem das Finanztableau abgesteckt wurde, sah Generalsekretär Dirk Niebel zwar immer noch einen Spielraum für Steuersenkungen. Über die Größenordnung verlor er kein Wort. Es ist freilich ein zentrales Wahlversprechen.
Erkennbare Handschrift
Bisher kam die Union weder in der Sozialpolitik noch in der inneren Sicherheit den Liberalen entscheidend entgegen. Die Christdemokraten wissen aber, dass Westerwelle mit leeren Händen keinen Vertrag unterzeichnen kann. An zwei, drei Punkten muss seine Handschrift erkennbar sein, in der Gesundheitspolitik, in der Bildung, vor allem mit einer Steuerreform. Selbst Schulden werden darob zur Verhandlungssache. Der „Konsolidierungsbedarf” ging binnen wenigen Tagen von 40 auf 34, zuletzt auf 29 Milliarden Euro zurück. Es wird gerechnet, bis die FDP mit dem Ergebnis leben kann. Der Spielraum für Entlastungen wird auf 15 bis 20 Milliarden Euro geschätzt.
Zehn Milliarden Euro würde eine Erhöhung von Kinderfreibetrag (drei Milliarden) und Kindergeld (sieben Milliarden) kosten. Die Koalitionäre müssen sich nun entscheiden, ob sie die `kalte Progression' im Steuertarif abschaffen oder lieber die Familienleistungen erhöhen wollen. Da muss das ZK ran.