Berlin. Der CDU-Wirtschaftsrat möchte vor der NRW-Landtagswahl lieber keine schmerzhaften politischen Entscheidungen sehen. Die künftige schwarz-gelbe Bundesregierung solle sich die Bundesratsmehrheit durch eine zurückhaltende Politik bis zur NRW-Wahl sichern. Die SPD ist empört
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Die kommende schwarz-gelbe Bundesregierung soll nach dem Willen des CDU-Wirtschaftsflügels mit unpopulären Entscheidungen bis nach der NRW-Landtagswahl am 9. Mai 2010 warten. Er gehe davon aus, dass «eine ganze Reihe von Präzisierungen» erst «zufällig» nach der Landtagswahl umgesetzt werden können, sagte der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, am Dienstag in Berlin. Dies habe auch einen «realpolitischen Hintergrund», um den nicht herumgeredet werden müsse.
Alle Arbeitsverträge auf vier Jahre befristen
Schwarz-Gelb sollte nach Auffassung Lauks nun in den Bereichen Arbeitsmarkt, Gesundheit, Energie und Finanzen Projekte umsetzen, die in der großen Koalition bislang nicht möglich waren. In der Sozial- und Zuwanderungspolitik müssten «Systemfragen» gestellt werden. Zur Haushaltssanierung müssten zwischen 2011 und 2013 mindestens 35 Milliarden Euro eingespart werden. Unter anderem seien die familienpolitischen Ausgaben von rund 190 Milliarden Euro im Jahr auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen.
In der Arbeitsmarktpolitik dringt der unternehmerfreundliche Wirtschaftsrat der CDU darauf, dass Arbeitgeber künftig alle Arbeitsverträge auf vier Jahre befristen dürfen und Pläne zur Einführung eines Mindestlohnes für die Zeitarbeit fallengelassen werden. Steuersenkungen müsse es spätestens zum 1. Januar 2011 geben, forderte Lauk.
Schwarz-Gelb habe das «Kunststück» zu vollbringen, trotz Wachstumsanreizen und Haushaltssanierung «soziale Kälte» zu vermeiden. Dabei dürfe es in der bürgerlichen Regierung «nicht passieren, dass die Union für das Soziale und die FDP für die Wirtschaft zuständig ist. Das würde die Volksparteien CDU und CSU zerreißen», warnte Lauk.
Bosbach: Umstrittenes vertagen
Auch sonst setzt die künftige Regierung offenbar auf aktive Problemvermeidung. In den Koalitionsverhandlungen zur inneren Sicherheit könnten Streitfragen bei der Vorratsdatenspeicherung und bei Online-Durchsuchungen laut Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) ausgeklammert werden. Beides sei Gegenstand von Klagen beim Bundesverfassungsgericht, "und man könnte sich ja so einigen, dass es keine Erweiterungen gibt, bevor Karlsruhe entschieden hat», sagte Bosbach am Dienstag im Bayerischen Rundfunk.
Die Union strebe an, dass die bislang auf Terrorismus-Abwehr beschränkte Online-Durchsuchung auch zur Aufklärung schwerer Straftaten eingesetzt werden darf, bekräftigte Bosbach. Wenn aber die FDP die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten wolle, «dann hätte ich für eine solche Argumentation sogar Verständnis», sagte der CDU-Politiker.
SPD sieht sich bestätigt
Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hatte Union und FDP mehrfach aufgefordert, keine «Zumutungen» zu beschließen. Es gehe bei der Landtagswahl im Mai 2010 schließlich auch um die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat, gab der CDU-Vize zu bedenken. Nordrhein-Westfalen hat sechs Stimmen in der Länderkammer.
Die SPD in NRW reagierte empört auf Lauks Aussagen. «Lauk bestätigte unsere schlimmsten Befürchtungen. Union und FDP wollen die Axt an die Arbeitnehmerrechte legen und stellen die notwendigen familienpolitischen Ausgaben in Frage», sagte der Vizechef der SPD-Landtagsfraktion, Norbert Römer.
«Allerdings soll der Kahlschlag erst nach dem Mai 2010 beginnen, um die Wahlchancen von Schwarz-Gelb in Düsseldorf nicht zusätzlich zu belasten», sagte Römer. «Vor der NRW-Wahl gibt es aus Berlin daher nur Friede, Freude, Eierkuchen zu hören.» Diese «Mogelpackung» werde die SPD nicht durchgehen lassen. (ddp)