Essen/Berlin. Der insolvenzbedrohte Karstadt-Mutterkonzern Arcandor setzt alle Hebel in Bewegung, um doch noch an Staatshilfe zu kommen. Am Freitag beantragte der Reise- und Handelskonzern einen 437 Millionen Euro schweren Notkredit.

„Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier haben uns in persönlichen Gesprächen die Hand gereicht und uns diese Lösung empfohlen”, sagte Konzernchef Karl-Gerhard Eick. Bei Rettungsbeihilfen sind die Chancen höher, dass sie bewilligt werden, als bei der jüngst von der EU-Kommission abgelehnten Staatsbürgschaft.

Arcandor steht unter Druck. Mit dem Notkredit möchten die Essener Kredite ersetzen, die am 12. Juni auslaufen. Werden diese Kredite nicht verlängert, droht Arcandor die Zahlungsunfähigkeit – und damit nach Konzernangaben die Insolvenz.

„Falls Arcandor den Notkredit bekommt, fängt die Arbeit erst richtig an”, sagte Geschäftsführer Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz dieser Zeitung. „Leider würde selbst die gute Nachricht eines Notkredits keine Entwarnung für die Mitarbeiter und Standorte bedeuten”, betonte er. Konzernchef Eick habe aber ein tragfähiges Sanierungskonzept vorgelegt. „Es wurde bisher nicht aus der Politik moniert.” Das sei bemerkenswert, sagte der Experte.

Umverteilung

Arcandor hatte Ende April einen Strategieschwenk verkündet. Der Konzern will weg vom Luxusgeschäft. Der Umbauplan sieht vor, Geschäfte, die nicht mehr zum Kerngeschäft zählen oder sanierungsbedürftig sind, in die neue Gesellschaft Atrys zu packen. Dazu gehören Quelles Einzelhandelsläden und Technikcenter, Quelle-Shops, Foto Quelle und Küchen Quelle. Zu Atrys kommen auch die Luxuskaufhäuser KaDeWe (Berlin), das Alsterhaus (Hamburg) und Oberpollinger (München). Was mit diesen Läden passiert, ist ungewiss. Diese Umverteilung betrifft etwa 12 500 Arbeitsplätze.

Das „Handelsblatt” meldete gestern, dass bei einer Insolvenz Arcandors weniger Stellen gefährdet wären als vom Konzern mitgeteilt. Eine Pleite träfe 35 348 Mitarbeiter, berichtet die Zeitung unter Berufung auf ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsfirma PricewaterhouseCoopers (PwC) im Auftrag der Bundesregierung. Arcandor-Chef Eick warnt dagegen vor dem Verlust von 50 000 Stellen. Insgesamt arbeiten für Arcandor rund 68 000 Menschen vor allem in Deutschland.

Die Karstadt-Mitarbeiter kämpfen für den Erhalt ihres Arbeitgebers: Diesen Sonntag seien in allen 89 Karstadt-Filialen Mahnwachen und Demonstrationen geplant, teilte Verdi mit. Bricht Arcandor zusammen, träfe das auch die Deutsche Post: Sie erledigt für Arcandor Dienstleistungen im Logistik-, Paket- und Briefgeschäft. 4000 Mitarbeiter sind laut der Post mit Arcandor-Aufträgen beschäftigt.

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