Essen. Arcandor hat die Mietzahlungen eingestellt. Offenbar kann der Konzern die Summen nicht mehr aufbringen. An den hohen Mieten soll Ex-Arcandor-Chef Middelhoff nicht unschuldig sein. Er soll nach Presseberichten sogar davon profitiert haben. Justizministerin Zypries will Aufklärung.
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat ihre nordrhein-westfälische Ressortkollegin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) in einem Brief gebeten, Ermittlungen gegen den ehemaligen Arcandor-Chef Thomas Middelhoff wegen zweifelhafter Immobliengeschäfte zu prüfen. «Ich würde es sehr begrüßen, wenn durch die zuständige Justiz ihres Landes Klarheit über die juristische Bewertung der Vorgänge geschaffen werden könnte», schrieb Zypries. Einen entsprechenden «Spiegel»-Bericht bestätigte Ministeriumssprecherin Eva Schmierer.
Zypries zeigt sich in dem Brief beunruhigt über Presseberichte, die sich mit den «Immobiliengeschäften der Arcandor AG unter Middelhoff» befassten. Dabei geht es um Beteiligungen Middelhoffs und seiner Ehefrau an Immobilienfonds, die Gebäude zu außergewöhnlich hohen Mieten an den zu Arcandor gehörenden Karstadt-Konzern verpachten. Die Zeitungsartikel allein reichten jedoch nicht aus, um «ein strafbares Verhalten von Herrn Middelhoff etwa wegen Untreue» zu behaupten, schrieb die SPD-Politikerin. Deshalb müsse der Sachverhalt weiter aufgeklärt werden.
Laut Schmierer soll zunächst festgestellt werden, ob ein Anfangsverdacht gegen Middelhoff besteht, der dann Grundlage für ein Ermittlungsverfahren sein könnte.
Arcandor stellt Mietzahlungen ein
Die hohen Mieten scheinen Arcandor schwer zu belasten. Die «Süddeutsche Zeitung» berichtete am Samstag, das Unternehmen zahle bereits keine Mieten mehr.
Demnach habe Arcandor-Vorstandschef Karl-Gerhard Eick beim Krisentreffen im Wirtschaftsministerium mit Vertretern von Gläubigerbanken, Aktionären und Immobilieneigentümern eingeräumt, dass Arcandor am Freitag seine Mietzahlungen eingestellt habe. Seit dem Verkauf seiner Warenhäuser vor zwei Jahren sei der Karstadt-Mutterkonzern an allen seinen Standorten nur noch Mieter. Eigentümer nahezu sämtlicher Häuser sei eine Immobiliengesellschaft mit Namen Highstreet, an der die Investmentbank Goldmann Sachs mit 51 Prozent und die Deutsche Bank-Tochter Preef und Pirelli Real Estate mit 49 Prozent beteiligt seien.
Die Mietverträge haben eine Laufzeit von 15 Jahren. Die Mietzahlungen summieren sich auf 280 Millionen Euro. Zudem zahlt Arcandor in jedem Jahr 42,6 Millionen Euro Miete für fünf Standorte, die Eigentum eines vom Bankhaus Sal. Oppenheim aufgelegten Fond sind.
Kaum Sicherheiten im Falle einer Staatshilfe vorhanden
Das Nachrichtenmagazin «Focus» berichtete unter Berufung auf ein Gutachten der Prüfgesellschaft PricewaterhouseCoopers im Auftrag der Bundesregierung, Arcandor, zu dem neben den Karstadt-Warenhäusern und dem Quelle-Versand auch der Reisekonzern Thomas Cook gehört, habe fast alle Unternehmensteile für laufende Betriebsmittelkredite in der Höhe von 960 Millionen Euro verpfändet. Deshalb könnten Arcandor und die kreditgebenden Banken dem Staat nur «nachrangige Sicherheiten» bieten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (beide CDU) lehnten Staatshilfen zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Merkel sagte: «Bei Arcandor muss man zunächst einmal die Eigentümer und die Gläubiger stärker fordern, zumal es Teile des Konzerns gibt, die wirtschaftlich gesund sind, wie zum Beispiel der Touristikbereich.» Erst danach könne über Staatshilfen nachgedacht werden.
Bei Arcandor habe es ein erhebliches Missmanagement gegeben. Für viele Karstadt-Standorte sei eine Fortführung wahrscheinlich, wenn die Eigentümer und die Gläubiger einen Beitrag leisteten. «Ich empfinde es aber als Zumutung, wenn Leute nach dem Staat rufen, die selbst etwas tun müssen», sagte die Kanzlerin. Auch habe die Kaufhauskette Kaufhof Interesse an den Karstadt-Häusern. «Ich rate der Geschäftsleitung sehr dazu, die entsprechenden Gespräche zu führen und nicht zu versuchen, stattdessen allein den Staat unter Druck zu setzen», fügte sie hinzu.
Merkel drängt auf Einigung mit Metro
Arcandor ist zwar bereits in Gesprächen mit Metro. Doch Unternehmenschef Karl-Gerhard Eick sieht eine schnelle Fusion skeptisch und nur als mittelfristige Lösung. Metro will bei einer Karstadt-Übernahme 40 Warenhäuser in Deutschland schließen. Betroffen wären 10 Filialen der eigenen Tochter Kaufhof und 30 Karstadt-Häuser. Damit würden rund 5.000 Vollzeitstellen wegfallen. Insgesamt betreiben beide Ketten derzeit in Deutschland 206 Warenhäuser.
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Wulff sagte: »Wir können uns nicht erlauben, veraltete, nicht zukunftsfähige Strukturen zu retten.« Es dürfe außerdem nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommen. »Das Muster 'Die Gutmenschen retten Jobs, die Bösen geben sie auf', ist zu simpel«, sagte Wulff. »Es gibt die EU-Feststellung, dass die Arcandor-Krise schon vor der Finanzkrise da war. Das wäre ein K.o.-Kriterium.« Im Übrigen gebe es einen ernsthaft interessierten Investor. »Wenn dann am Ende für ein zukunftsfähiges, langfristiges Konzept Hilfe des Staates erforderlich ist, muss der Staat sie leisten«, sagte Wulff. Es dürfe aber keine Entscheidung der Beliebigkeit werden.
Tiefensee trifft Bürgermeister
Der Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Wolfgang Franz, sprach sich dafür aus, die Eigentümer in der Verantwortung zu nehmen. Franz warnte die Bundesregierung davor, sich mit Blick auf die Bundestagswahl von Unternehmen durch einen möglichen Stellenabbau unter Druck setzen zu lassen. «Es darf nicht sein, dass die Risiken sozialisiert und die Gewinne privatisiert werden», sagte Franz. Soweit sich die Hauptanteilseigner bei Arcandor, die Quelle-Erbin und Milliardärin Madeleine Schickedanz und die Privatbank Sal. Oppenheim, mit privaten Hilfen zurückhielten, mache ihn das sehr skeptisch.
Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee sagte, Arcandor mit den Karstadt-Häusern habe eine Chance verdient. «Das neue Management und die Belegschaft sind hoch motiviert», sagte er. Die Botschaft des Treffens mit der Karstadt-Spitze und Kommunalpolitikern müsse sein: »Wir werden Karstadt und die Beschäftigten nicht im Stich lassen. Und wir wollen für die Innenstädte und ihre Attraktivität kämpfen», sagte Tiefensee. (ddp)