Essen. Der Streit um Verteilung des Geldes blockiert die wichtigsten Bildungsreformen. Mit seinem Vorhaben, ein bundesweit einheitliches Stipendiensystem ins Leben zu rufen, ist NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) gescheitert. Das Land vergibt nun allein Stipendien.

Andreas Pinkwart ist stinksauer: „Das ist ein schlechter Tag für die Studierenden und die Hochschulen in Deutschland”, sagte der NRW-Wissenschaftsminister (FDP) nach einer Konferenz mit seinen Kollegen aus den anderen Bundesländern.

In diesem Gremium, der „Gemeinsamen Wissenschafts-Konferenz” (GWK), sind vorläufig alle vier wichtigen Reformvorhaben im Hochschulbereich auf Eis gelegt worden. Während die doppelten Abiturienten-Jahrgänge auf die Hochschulen zurollen, lähmen sich die Länder mit einem Streit über die Verteilung des Geldes. 16 Milliarden Euro sind im Topf, davon sollen die Länder fünf Milliarden tragen.

Worum geht es?

Das Stipendiensystem

Pinkwarts mit Eifer betriebenes Vorhaben, ein bundesweites Stipendiensystem aufzubauen, ist am Widerstand der SPD-regierten Länder zerschellt. Das Modell sieht vor, begabten Studenten neben dem Bafög ein Stipendium von 300 Euro monatlich anzubieten, finanziert je zur Hälfte vom Land und privaten Geldgebern.

Die Gegner in der GWK argumentierten, NRW wolle damit die negativen Folgen der Studiengebühren reparieren, zudem könne die Wirtschaft im Osten ihren Beitrag kaum leisten. Nun wird NRW den Plan alleine starten: Ab dem nächstem Wintersemester sollen zunächst 1200 Stipendien vergeben werden, das sind etwa zwei Prozent der Studierenden in NRW. Die Zahl soll Zug um Zug erhöht werden. „Wir zeigen, dass es geht. Damit wird der Druck auf andere erhöht”, sagte Andreas Pinkwart.

Der Hochschulpakt II

Dies ist der Hauptstreitpunkt zwischen den Ländern. Bislang stehen daher nur die Eckdaten: Wegen der erwarteten Flut von Erstsemestern sollen zwischen 2012 und 2015 bundesweit 275 000 neue Studienplätze (NRW: 90 000) entstehen. Ein Studienplatz schlägt mit 26 000 Euro zu Buche. Die Kosten von 7,1 Milliarden Euro soll der Bund zur Hälfte tragen.

Doch um die Frage, welches Land wie viel davon bekommt, gibt es in der föderalen Bildungsrepublik wieder Ärger. Die SPD-regierten Länder plädieren für das Modell „Geld folgt Studenten”. Damit soll finanziell berücksichtigt werden, wie viele Studenten ein Bundesland aus anderen Ländern bei sich ausbildet. So sollen etwa Berlin, Hamburg oder Rheinland-Pfalz, die einen hohen Zustrom verkraften müssen, belohnt werden. Bestraft werden dadurch jene Länder, die auf Kosten anderer Länder zu wenige Studenten ausbilden. Dieser Plan findet auch Freunde beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

Bund und CDU-regierte Länder bestehen aber darauf, dass der Pakt wie bisher verrechnet werde, sie wollen einen „zweiten Länderfinanzausgleich” unbedingt verhindern, der Bayern, Baden-Württemberg und Hessen treffen könnte.

Die Exzellenzinitiative

Auch hier ging es nicht voran. Einig ist man sich nur darin, dass der 2006 erstmals ausgelobte Wettbewerb um den Elite-Uni-Titel erneut ausgetragen werden soll. Die Mittel sollen von 1,9 Millirden Euro um 30 Prozent auf etwa 2,5 Milliraden Euro steigen.

Der Forschungspakt

Es fiel keine Entscheidung über das Vorhaben, die jährlichen Ausgaben für die großen Forschungsorganisationen – z.B. Max-Planck-Gesellschaft – um fünf statt wie bisher um drei Prozent zu steigern.

Eine Arbeitsgruppe aus nur noch sechs Landesministern soll jetzt aus den Scherben bis zum 22. April eine neue Verhandlungsgrundlage basteln. Spätestes zur Runde der Ministerpräsidenten am 2. Juni soll die Vereinbarung stehen.

Die Kritik an der "Nullrunde"

Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschul-Rektorenkonferenz: „Dass Bund und Länder sich nicht auf den Hochschulpakt einigen konnten, ist inakzeptabel. Dies untergräbt die Glaubwürdigkeit der Politik”.

Kai Gehring, Grüne: „Der Widerstand der Unionsländer gegen das Prinzip Geld folgt Studierenden zeigt wieder, dass sie keinerlei gesamtstaatliche Verantwortung empfinden.”

Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): „Statt den Ausbau von Studienplätzen für die doppelten Abiturjahrgänge zügig und am Bedarf orientiert voranzutreiben, wird ein Streit entfacht und auf dem Rücken der jungen Menschen ausgetragen.”

Florian Keller, Mitglied des Vorstands des Studentischen Dachverbands fzs: "Wir erleben mittlerweile im Wochentakt, wie sich Bund und Länder in Bildungsfragen nicht einigen können und am Ende mit einer schlichten Vertagung der kritischen Punkte verbleiben. Im Bereich des Hochschulpakts hat sich nun seit mehr als fünf Monaten nichts messbares getan. Dieser Kindergarten gefährdet die dringend nötigen Studienplätze für die doppelten Abiturjahrgänge."

Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft: "Der große Wurf ist ausgeblieben." Das Stipendiensystem könne gezielte Akzente setzen, indem es junge Leute ermutige, die als erste in der Familie die Aufnahme eines Studiums wagten. "Diese Chance wurde verpasst."

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