Mandalay. Kurz vor der Stichwahl hat Oppositionsführer Abdullah Abdullah seine Kandidatur für das Präsidentenamt wegen befürchteter neuer Stimmfälschungen zurückgezogen. Er werde nicht an dem Wahlgang am kommenden Samstag teilnehmen, so der Herausforderer von Präsident Karsai.

Knapp eine Woche vor der zweiten Runde der afghanischen Präsidentschaftswahl am kommenden Samstag kann der bisherige Amtsinhaber Hamid Karsai bereits einen fragwürdigen Sieg feiern. Abdullah Abdullah, der bei dem von Wahlmanipulationen und offenem Betrug geprägten ersten Urnengang im August die zweithöchste Zahl der Stimmen erhalten hatte, verkündete am Sonntag in einer emotionalen Ansprache vor Anhängern: "Ich werde nicht an der Wahl teilnehmen, weil ein transparenter Urnengang nicht möglich ist." Er machte aber deutlich, dass er seine Anhänger nicht zu einem Boykott aufruft. Ein Sprecher von Karsai antwortete nach Abdullahs Rückzug: "Wir glauben, dass die Stichwahl trotzdem stattfinden sollte."

Die Wahl wird zur Farce

Damit verkommt die Präsidentschaftswahl, die Afghanistan Staatschef neue demokratische Legitimation geben sollte, endgültig zu einer Farce. Karsai musste zuvor in fast zweimonatigem Ringen hinter den Kulissen von den USA, Großbritannien und Frankreich zu einem zweiten Wahlgang überredet werden. Zuvor hatte die von den Vereinten Nationen geführte Beschwerdekommission des `Unabhängigen Wahlrats" (IEC) tausende von Stimmen annulliert. Das revidierte Resultat gab Karsai, der 2001 vom Westen als "demokratischer Hoffnungsträger" an Afghanistans Staatsspitze befördert worden war, weniger als 50 Prozent der Stimmen. Laut Wahlgesetz wurde damit eine zwei Stichwahl fällig.

Der Präsident weigerte sich am Samstag der vergangenen Woche endgültig, eine Kernforderung seines Widersachers Abdullah zu akzeptieren. Abdullah, dessen Basis vor allem im Norden des Landes beheimatet ist, verlangte die Ablösung von Azizullah Ludin, einem engen Freund Karsais, an der Spitze der "Unabhängigen Wahlkommission". Er hatte die Zahl der Wahllokale für die Stichwahl erhöht, obwohl die Vereinten Nationen aus Sicherheitsgründen zuvor eine Reduzierung der Stimmlokale empfohlen hatte.

Westliche Staaten hatten in den Monaten vor dem ersten Wahlgang im August nahezu untätig dem sich anbahnenden Wahldesaster zugesehen. "Das ist ein afghanischer Prozess". lautete die Begründung europäischer Diplomaten damals, "deshalb sollten wir nicht eingreifen." Nach dem unverhohlen offenen Betrug bei der Präsidentschaftswahl drängte der Westen dann plötzlich auf eine Überprüfung und die Annullierung von Stimmen.

Clinton macht gute Miene zum üblen Spiel

"Die USA und ihre Verbündeten haben solange manipuliert, bis endlich ein ihnen genehmes Resultat vorlag", kommentierten die radikalislamischen Talibanmilizen mit genüsslichem Ton, nachdem die Stichwahl beschlossen worden war. Sie kündigten wie schon bei der ersten Runde an, den Urnengang behindern zu wollen. In der vergangenen Woche attackierten die Regierungsgegner prompt ein Gästehaus der Vereinten Nationen im Zentrum von Kabul und töteten mehrere Ausländer. Die Karsai-Regierung behauptet inzwischen, sie habe von dem geplanten Angriff gewusst. Das Gästehaus sei aber eine Stunde früher attackiert worden, bevor die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt werden sollten.

Nach Meinung von Beobachtern wird die Wahlbeteiligung nach Abdullahs Rückzieher auf eine Minimum sinken, obwohl er nicht zu einem Boykott aufrief. Ob die Stichwahl regulär verlaufen wird, ist dank mangelnder Wahlbeobachter ohnehin zweifelhaft. Schon im ersten Wahlgang hatte die Beteiligung bei einem Tiefstand von angeblich nur 38,4 Prozent gelegen. Vor allem im Süden Afghanistan blieben die Wahllokale verlassen. Beobachtern gingen schon vor dem Rückzug Abdullahs davon aus, dass er in der Stichwahl keine Siegchancen hatte.

Karsai kann sich nun als "Sieger" fühlen. US- Außenministerin Hillary Clinton machte gute Miene zum üblen Spiel und erklärte: "Abdullah hat eine persönliche Entscheidung gefällt, wie sie auch in unseren Land vorkommt." Karzais Regierung hatte sich während der vergangenen Jahre bereits als korrupt und ineffektiv erwiesen. Nun muss der Westen den an Einfluss gewinnenden Aufstand der Talibanmilizen mit einem Präsidenten Karsai bekämpfen, dem der Ruf anhaftet, sich mit unsauberen Methoden an der Macht zu halten. Für eine Staatengemeinschaft, die den Respekt von Rechtsstaatlichkeit propagiert, entpuppt sich die Partnerschaft zunehmend als peinliche Angelegenheit.