Kabul/Washington. Die US-Regierung drängt auf eine Entscheidung nach der umstrittenen Präsidentenwahl in Afghanistan. Amtsinhaber Hamid Karsai sei laut Berichten aus Washington bereit seine Niederlage anzuerkennen. Er möchte sich jetzt auch der Stichwahl am 7. November stellen.
Zwei Monate nach der Präsidentenwahl in Afghanistan scheine Amtsinhaber Hamid Karsai entschlossen seine Niederlage einzugestehen, heißt es aus US-Regierungskreisen. Karsai wolle noch heute bekanntgeben, dass er die Ergebnisse der von den Vereinten Nationen unterstützen Beschwerdekommission (ECC) respektiere, verriet ein ranghoher US-Beamter. Damit hätte Karsai die absolute Mehrheit verfehlt und müsste sich einer Stichwahl gegen seinen Herausforderer Abdullah Abdullah stellen. Diese findet am 7. November statt, wie ein Sprecher der Unabhängigen Wahlkommission (IEC) am Dienstag in Kabul mitteilt.
Der Vertreter der US-Regierung sagte jedoch nicht, ob Karsai nun eine Allparteien-Regierung oder eine Stichwahl anstrebt, um das drohende Machtvakuum und den Verlust der Legitimation abzuwenden. US-Außenministerin Hillary Clinton bestätigte unterdessen, Karsai werde im Laufe des Tages erklären, wie die Krise gelöst werden solle. "Er wird seine Absichten mitteilen", teilte Clinton vor Journalisten mit. Sie sei ermutigt von der jüngsten Entwicklung und erwarte eine Lösung in Übereinstimmung mit der verfassungsrechtlichen Ordnung. In New York erklärte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, Karsai habe ihm versichert, dass er den verfassungsrechtlichen Prozess in vollem Umfang mittragen werde.
Herausforderer Abdullah fordert Stichwahl
Karsais Wahlkampfsprecher Wahid Omar erklärte indes, der Präsident wolle sich in der Frage einer eventuellen Stichwahl gegen Abdullah vorerst nicht festlegen. Das amtierende Staatsoberhaupt werde erst die Entscheidung der unabhängigen Wahlkommission abwarten, bevor er die Ergebnisse der ECC akzeptiere. Die Wahlkommission wird von Anhängern des Präsidenten dominiert. Die ECC erklärte ein Drittel der für Karsai abgegebenen Stimmen für ungültig, er rutscht damit auf 48 Prozent der Stimmen ab.
Ein Sprecher von Abdullahs Wahlkampfteam erteilte einer Teilung der Macht oder einer Allparteien-Regierung zur Lösung der Krise eine Abfuhr. Eine Koalition würde dem Land schaden, sagte Fasel Santscharaki. Abdullah fordere nach wie vor eine Stichwahl; nur falls diese aus Sicherheitsgründen oder wegen des einsetzenden Winters nicht durchführbar sei, komme eine Übergangsregierung infrage, sagte Santscharaki. Er betonte: "Karsais Amtszeit ist abgelaufen, wir können ihn nicht noch mehrere Monate akzeptieren."
US-Vertreter bemühen sich um Lösung der Krise
Ranghohe US-Vertreter bemühten sich in Kabul um eine Lösung der Krise. Senator John Kerry, der einflussreiche Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, traf sich zum fünften Mal in fünf Tagen zu einem Gespräch mit Karsai. Auch mit Abdullah kam er erneut zusammen. Der bestens vernetzte frühere US-Botschafter in Afghanistan, Zalmay Khalilzad, bemühte sich ebenfalls um eine Vermittlung, obgleich er offiziell nur privat in Kabul war. Er halte eine Allparteien-Regierung für die wahrscheinlichste Lösung, erklärte Khalilzad. Das sei auch die bevorzugte Lösung der amerikanischen Regierung, sagte er dem Fernsehsender ABC.
US-Verteidigungsminister Robert Gates forderte unterdessen eine rasche Entscheidung über die weitere Afghanistan-Strategie. Die politische Führung könne nicht rumsitzen und auf Wahlergebnisse und eine neue Regierung in Kabul warten, sagte er vor Journalisten auf dem Weg nach Japan. Präsident Barack Obama müsse seine Entscheidungen treffen, während die Entwicklungen noch im Fluss seien. (ap)