Berlin. 23. Mai, Verfassungstag, alle fünf Jahre: Wahltag. Dann tritt die Bundesversammlung zusammen. Ihre Bestimmung: Wahl des Staatsoberhaupts. Da sie mit dem 60. Geburtstag des Grundgesetzes zusammenfällt, ist Berlin in Partystimmung.
Wer darf Bundespräsident(in) werden?
Jede(r ) Deutsche (r ), der/die mindestens 40 Jahre alt ist. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre. Nur eine Wiederwahl ist erlaubt. Drei der bisher neun Bundespräsidenten seit 1949 waren zehn Jahre im Amt: Theodor Heuss (1949 bis 1959), Heinrich Lübke (1959 bis 1969) und Richard von Weizsäcker (1984 bis 1994).
Was darf der Präsident?
Er kann das Parlament auflösen, falls der Kanzler keine Mehrheit findet. Ohne seine Unterschrift werden Bundesgesetze nicht wirksam. Er kann Strafgefangene begnadigen. Der Präsident hat keine regierungsamtliche Funktion, aber er ist der erste Botschafter seines Landes.
Was verdient der Präsident?
Wegen des klammen Bundesetats immer weniger. Zurzeit kriegt er 199 000 Euro im Jahr. 2004 waren es noch 213 000, 2003 sogar 219 000 Euro.
Wer tritt an?
Ein Déjà-vu-Erlebnis: Wie 2004 sind es Horst Köhler und Gesine Schwan, die SPD-Frau heuer als Herausforderin des Präsidenten. Für Fernseh-Kommissar Peter Sodann, Kandidat der Linken, gilt das olympische Prinzip: Dabei sein ist alles.
Wer wählt sie oder ihn?
1224 Wahlfrauen und -männer, je zur Hälfte Abgeordnete des Bundestages und Delegierte der 16 Landtage. Darunter sind nicht nur Parlamentarier, sondern auch Sportler, Künstler und andere Personen des öffentlichen Lebens.
Warum so umständlich?
Eine Direktwahl hatten die Verfassungsmütter und -väter seinerzeit verworfen. Der Präsident sollte nicht gegenüber der Regierung gestärkt werden - eine Lehre aus der Weimarer Republik. Andererseits sollte er sich auf ein `breites Fundament" stützen. So kam die Idee auf, ihn von Vertretern des Bundes und der Länder wählen zu lassen. Der Begriff soll von Theodor Heuss stammen, der zum ersten Präsidenten gewählt wurde.
Wie läuft es ab?
Keine Aussprache. Verdeckte Stimmzettel. Alles im Reichstag. Für einen Sieg im ersten oder zweiten Wahlgang braucht man die absolute Mehrheit – also 613 Stimmen. Schafft kein Bewerber die absolute Mehrheit, reicht im dritten Wahlgang die einfache. Danach hält der neugewählte Präsident eine (kurze) Ansprache und Bundestagspräsident Lammert das Schlusswort. Am Ende wird die Nationalhymne gesungen.
Wie sind Köhlers Chancen?
Rechnerisch gut. Köhler ist der Kandidat von CDU, CSU, FDP. Sie kommen auf 604 Stimmen. Da die Freien Wähler aus Bayern ebenfalls seine Wiederwahl befürworten und zehn Stimmen einbringen, ist eine Stimme mehr als die absolute Mehrheit drin: 614 Stimmen. Auch rechtsextreme Parteien wie NPD und DVU, die je vier Wahlmänner haben und den rechtsextremen Liedermacher Frank Rennicke als Kandidaten nominiert haben, wollen angeblich am Ende für ihn stimmen.
Wie sieht's bei Gesine Schwan aus?
SPD und die Grünen verfügen zusammen über 514 Sitze, ihre Kandidatin hat damit keine eigene Mehrheit und muss auf "Überläufer" hoffen. Selbst wenn die Linkspartei mit ihren 90 Stimmen Schwan in einem dritten Wahlgang wählen würde, reicht das noch nicht: 604 Stimmen. Abweichler, die dem Kandidaten des eigenen Lagers die Gefolgschaft verweigern, bilden bei dieser Wahl wieder den größten Unsicherheitsfaktor.