Berlin. Er wäre glücklich, „wenn wir bei Opel bis Weihnachten wissen, wie es weitergeht.” Allein, nicht der Ministerpräsident oder seine Kollegen sind die Herren des Verfahrens, sondern General Motors. Mit Jürgen Rüttgers sprach Miguel Sanches darüber, wie es weiter geht. Noch überwiegt die Wut.
GM hält an Opel fest. Hier sind die Arbeiter empört, in England jubeln sie. Was sagt Ihnen das?
Rüttgers: Die erhoffen sich offenbar mehr von GM als wir. Warten wir mal ab, bis der neue GM-Plan vorliegt.
Reicht Ihre Solidarität über Bochum hinaus?
Rüttgers: Ministerpräsidenten und Bundesregierung lassen nicht zu, dass ein Bundesland gegen das andere ausgespielt wird. Alle Standorte müssen erhalten und betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden.
GM sieht für Bochum „interessante Optionen”. Wollen Sie uns weismachen, sie würden weinen, wenn in Bochum die Jobs gerettet werden, in Spanien aber nicht?
Rüttgers: Natürlich würde ich mich für Bochum freuen. Aber das Magna-Konzept hat eine Perspektive für alle aufgezeigt. Das sollte immer noch möglich sein. Wenn GM tiefe Wunden reißt, wird der Neuanfang in Europa insgesamt verdammt schwer.
Schweden ließ „Saab” in Insolvenz gehen. Nun startet Saab wieder durch. Waren die Schweden cleverer?
Rüttgers: Nicht der Staat kann eine Insolvenz beantragen, sondern die Eigentümer. Das wollte GM nicht. Eine Insolvenz wäre für alle viel teurer.
Drei Milliarden an Kosten der Arbeitslosigkeit und vier Milliarden an Pensionslasten, die auf die gesamte Wirtschaft zukämen.
Rüttgers: Eben. Eine Rettung ist billiger und langfristig sinnvoller als die Abwicklung. Hinzu kommt – auch das ist die Botschaft des unsäglichen Verhaltens –, dass GM ohne Patente, ohne die Entwicklungsabteilung von Opel aufgeschmissen wäre.
Unsäglich? Kann man sich mit den GM-Leuten an einen Tisch setzen?
Rüttgers: Die Frage sollten Sie GM stellen. Die müssen das Verhältnis zu den Opel-Arbeitern und Betriebsräten kitten. Ich finde die Forderung der Gewerkschaften berechtigt, Opel in eine neue Rechtsform einzubringen, so dass nicht permanent aus Detroit hineinregiert wird. Die Herren haben keine Ahnung vom deutschen Markt. Sie haben – völlig neben der Spur – in den USA ihre Spritschlucker gebaut und sich in Machtkämpfen aufgerieben. Dazu passt auch, dass sie jetzt plötzlich das Management austauschen wollen.
Weil die Insolvenz teurer ist, wird die Politik helfen, oder?
Rüttgers: Wenn GM einen klaren Plan hat, sollen sie ihn vorlegen. Allerdings müssen sie auch investieren und Geld in die Hand nehmen. Die US-Regierung hat allerdings ja untersagt, dass US-Steuergelder woanders fließen.
Dann eben deutsche Steuergelder.
Rüttgers: Der deutsche Steuerzahler kann schon nach EU-Recht nur helfen, wenn es ein klares Konzept gibt. Ob es neue Hilfen geben kann und wird, hängt davon ab, wie sich GM verhält.
Opel ist zum Synonym für staatliche Bevorzugung geworden. Trifft Sie die Stimmung in der Bevölkerung?
Rüttgers: Darum geht es doch nicht. Ich lasse die Arbeitnehmer nicht allein, ob es um Opel, Nokia oder um Mittelständler geht. Wir helfen, weil wir überzeugt sind, dass die Regeln der sozialen Marktwirtschaft eingehalten werden und die industrielle Struktur erhalten bleiben muss.
Können Sie sich nicht darüber freuen, dass ein Unternehmen wieder so stabil ist, dass es seine Tochter führen kann?
Rüttgers: Nicht vergessen: Stabil dank der amerikanischen Staatshilfe. Es war vorher doch GM, das am Markt versagt, das nicht investiert und nicht Wort gehalten hat. Der Vertrauensverlust ist riesig. Den muss GM erst aufarbeiten. Am erfolgreichsten war dagegen die Tochter, nämlich Opel.
US-Präsident Obama soll nichts gewusst haben. Nehmen Sie ihm das ab?
Rüttgers: Ja, in Amerika gibt es ein anderes Zusammenspiel zwischen Politik und Wirtschaft. Soziale Partnerschaft kennen die nicht. Die Amerikaner haben die außenpolitische Tragweite unterschätzt. So sind auch die Russen stinksauer.
Ist die Ruhe der Magna-Leute Ihnen suspekt?
Rüttgers: Der österreichisch-kanadische Autozulieferer Magna ist ein Lieferant von General Motors. Dass die jetzt nicht schimpfen, ist logisch. Die haben die Faust in der Tasche.