Teheran/Kairo. 100 Demonstranten sitzen beim Schauprozess in Teheran auf der Anklagebank. Sie werfen dem Regime Wahlbetrug vor. Der Prozess ist jetzt auf Samstag verschoben. Eigentlich müsste der Staat auf die Anklagebank: Oppositionelle werden in den Gefängnissen gefoltert.
Als die beiden Busse im Polizeigefängnis Kahrizak ankamen, ging sofort ein Dutzend Wachleute auf die Gefesselten los, rissen ihnen die Kleider herunter, überschütteten sie mit Wasser und prügelten mit Gürteln und Ketten auf sie ein. „Danach war kein Leben mehr in unseren Körpern. Wir waren zu schwach, auf unseren Füßen zu stehen”, sagt der 21-jährige Student, der an der Universität festgenommen worden war.
Hände und Füße mit heißem Teer verbrannt
Es sollte noch schlimmer kommen. Einige wurden für Stunden mit den Füßen an die Decke gehängt, anderen die Hände und Füße in heißem Teer verbrannt. Die Jüngsten bekamen eine Schlinge um den Hals, wurden aufgehängt und nach einigen Sekunden wieder auf den Boden heruntergelassen. „Sie dachten, sie sterben, dann waren sie wieder zurück im Leben”, beschreibt der Augenzeuge diese Scheinhinrichtungen. Das Schlimmste aber seien die Vergewaltigungen gewesen. Aus seiner Zelle habe es drei getroffen. Die Peiniger holten sie einmal am Tag. „Wir konnten sie schreien hören". Danach gaben sie ihren Opfern eine Beruhigungsspritze und brachten sie zurück. Und doch haben alle aus seiner Zelle überlebt – er selbst mit ausgeschlagenen Zähnen, gebrochenen Rippen auf der rechten Seite und Taubheit im linken Ohr. „Hauptsache, ich lebe noch”, sagt er. Und „natürlich” will er weiter demonstrieren.
Mohsen Ruholamini, Sohn von Abdul-Hossein Ruholamini, Chef des Pasteur-Instituts und Spitzenberater des konservativen Präsidentschaftskandidaten Mohsenzai, überlebte den Gefängnisaufenthalt nicht. Der Informatik-Student sei an einer Gehirnhautentzündung gestorben, teilte der Gefängnischef den Eltern mit. „Sein ganzer Körper war übersät mit Verletzungen und blauen Flecken. Anzeichen für eine Meningitis habe ich nicht gefunden”, widersprach Rezais Bruder Omidvar, Abgeordneter im iranischen Parlament und Neurologe.
Behörden schüchtern Angehörige von Gefolterten ein
Der Foltertod des 25-Jährigen löste bis tief ins Lager der Konservativen Empörung aus. Viele Abgeordnete kennen die Familie und forderten eine Untersuchung. Das Gefängnis Kahrizak wurde daraufhin als „nicht mehr dem Standard entsprechend” geschlossen – auf Intervention des Obersten Religionsführers Chamenei. Angeblich ermittelt die iranische Justiz inzwischen gegen drei der schlimmsten Schläger.
Viele Eltern haben in den letzten beiden Wochen die zerschundenen Leichen ihrer Söhne und Töchter zurückbekommen. Zahlreiche Schicksale sind durch die oppositionellen Websites roozonline.com und gooya.com dokumentiert, auch wenn die Behörden betroffene Familien massiv einschüchtern, damit sie auf Trauerfeiern verzichten und keine Auskünfte geben. Drei Wochen lang hatten die Eltern nichts von Amir Javadifar gehört, einem Studenten. „Als ich ihn identifizieren musste, war sein Körper übersät mit Spuren von Folter”, berichtete sein Vater. „Ich hatte ihn bereits autopsiert – und uns wurde erklärt, die Todesursache sei unbekannt.” Die Mutter eines getöteten Medizinstudenten aus Kermanshah sitzt inzwischen selbst in Haft. Sie hatte sich aus Protest mit Lehm beschmiert, vor das Gebäude des Geheimdienstministeriums gesetzt und Aufklärung verlangt.
Man braucht also nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was die 100 Angeklagten des Schauprozesses durchgemacht haben. Sie habe ihren Mann nur ein Mal besuchen können, berichtete Fahimeh Mousavinejad, die Frau des Ex-Vizepräsidenten Ali Abtahi. Er habe am ganzen Körper gezittert. Man habe ihm Pillen verabreicht, die Gedächtnisstörungen bewirken, sodass er sich an vieles nicht erinnern kann. Die Frau des Journalisten Ahmad Zeidabadi versuchte, ihrem Mann am Telefon Mut zuzusprechen. „Du bist schon früher in Isolierhaft gewesen und du hast große Widerstandskräfte.” Ja, habe er geantwortet, „aber diesmal ist alles sehr viel schlimmer.”