Essen. Sie gilt als Lieblingsprojekt von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD): Die Ostseepipeline soll Europas Energiehunger stillen und Deutschland mit Gas versorgen. Doch Russlands lange Leitung in den Westen ist auch ein Politikum. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Milliardenprojekt.
Welche Route hat die Pipeline?
Die Pipeline führt von der russischen Grenzstadt Wyborg (nordwestlich von St. Petersburg) über etwa 1220 Kilometer bis nach Lubmin (bei Greifswald) an der deutschen Ostseeküste. Die auf dem Meeresboden verlegten Rohre durchqueren Gebiete von Russland, Finnland, Schweden und Dänemark. Die bisherigen Transitländer Ukraine und Weißrussland werden gemieden. Hintergrund: In der Vergangenheit hatte es Streitigkeiten zwischen dem russischen Staatskonzern Gazprom und der Ukraine gegeben, die auch in Westeuropa zeitweise zu Lieferengpässen führten.
Wer wird mit dem Gas versorgt?
Gespeist werden soll die Ostseepipeline von westsibirischen Erdgasfeldern. Nachdem das Gas in Lubmin angekommen ist, soll es in Netze von Deutschland, Dänemark, Großbritannien und Frankreich strömen. Ab 2012 sollen jährlich rund 55 Milliarden Kubikmeter Gas durch die Pipeline transportiert werden. Schätzungen zufolge entspricht dies etwa elf Prozent des erwarteten Bedarfs der Europäischen Union im Jahr 2030. Bereits ab Herbst 2011 soll Gas durch einen ersten Leitungsstrang fließen.
Wer steckt hinter dem Projekt?
Gebaut und betrieben wird die Pipeline von der Nord Stream AG. Das Unternehmen gehört zu 51 Prozent dem russischen Gasriesen Gazprom sowie zu je 20 Prozent dem deutschen Energiekonzern Eon-Ruhrgas und der BASF-Tochter Wintershall. Neun Prozent hält der niederländische Pipeline-Betreiber Gasunie. Der Bau der Ostseepipeline soll rund 7,4 Milliarden Euro kosten.
Welche Rolle spielt Altkanzler Schröder?
Die Pipeline gilt als Lieblingsprojekt von Altkanzler Schröder. Nach seiner Amtszeit als Regierungschef übernahm der SPD-Politiker den Vorsitz im Aktionärsausschuss von Nord Stream. Beim Festakt am heutigen Freitag in Wyborg wird Schröder als Redner erwartet, ebenso der russische Präsident Dmitri Medwedew. Die Bundesregierung soll durch Wirtschaftsstaatssekretär Bernd Pfaffenbach vertreten werden. Von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wird lediglich eine Grußbotschaft per Video erwartet.
Was erwartet die Gaskunden in Deutschland?
„Die Pipeline erhöht die Versorgungssicherheit in Deutschland“, sagte die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) dieser Zeitung. Allerdings entstehe nicht automatisch mehr Wettbewerb, der sich in Form sinkender Preise auswirken könnte. „Wir brauchen mehr Verbindungen, um eine einseitige Abhängigkeit von russischem Gas zu verhindern“, betonte Kemfert.
Welche Pipeline-Projekte gibt es noch?
Neben der Ostseepipeline sind weitere Milliardenprojekte in Planung. Die Pipeline „South Stream“ soll Erdgas von Russland über das Schwarze Meer nach Bulgarien und von dort bis nach Österreich und Italien bringen. Ab 2015 ist eine Transportkapazität von jährlich 63 Milliarden Kubikmetern Gas geplant. Das Projekt wird von Gazprom, der italienischen ENI-Gruppe und der französischen EDF vorangetrieben. Die Pipeline Nabucco soll ab 2014 - unter Umgehung Russlands - jährlich 31 Milliarden Kubikmeter Gas vom Kaspischen Meer nach Europa pumpen. An dem Projekt ist auch der Essener Energiekonzern RWE beteiligt. Der ehemalige Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) arbeitet als Berater für das Vorhaben. Daneben gibt es noch ein Projekt namens „White Stream“. Die Pipeline soll ab 2016 Gas aus der Region des Kaspischen Meeres bis nach Westeuropa bringen.