Essen/Kopenhagen. Chicago ist am Freitag der Favorit bei der Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2016. Rio de Janeiro, Tokio und Madrid haben nur Außenseiterchancen. US-Präsident Barack Obama vertritt persönlich die Bewerbung seiner Heimatstadt in Kopenhagen.

Thomas Bach ist jemand, der die Olympische Idee im Herzen trägt und eine Registrierkasse im Kopf. Damit ist der Vize-Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) der perfekte Mann für die Wahl der Stadt am Freitag, die die Sommerspiele 2016 ausrichten wird. Es ist eine Wahl, bei der es bei der IOC-Vollversammlung in Kopenhagen um Sport und um Geld geht.

So läuft die Wahl ab

Bei der Wahl der Olympiastadt sind alle 104 IOC-Mitglieder wahlberechtigt. Es gibt allerdings zwei Einschränkungen.

Erstens: IOC-Präsident Jacques Rogge aus Belgien enthält sich traditionsgemäß seiner Stimme.

Zweitens: Die IOC-Mitglieder aus den Ländern der Bewerberstädte dürfen nicht mitstimmen, solange ihre Stadt noch im Rennen ist. Es handelt sich dabei um je zwei US-Amerikaner, zwei Brasilianer und zwei Japaner sowie um einen Spanier.

Für die Vergabe der Spiele ist die absolute Mehrheit nötig. In der ersten Abstimmungsrunde sind alle vier Kandidaten dabei. Gibt es keine absolute Mehrheit, fliegt der Kandidat mit den wenigsten Stimmen aus dem Rennen.

Im nächsten Wahlgang sind also nur noch drei Städte vertreten. Gibt es auch dann noch keine absolute Mehrheit, gibt es ein Wahlfinale zwischen den beiden dann noch übrig gebliebenen Städten. Der Sieger erhält Olympia.

Es gibt vier Kandidaten: Chicago, Rio de Janeiro, Tokio und Madrid. Der Favorit heißt Chicago. Schon vor Wochen ließ Bach in einem Gespräch mit dieser Zeitung anklingen: Wenn US-Präsident Barack Obama zur Wahl nach Kopenhagen einfliegt, dann habe die Heimatstadt des Präsidenten gute Chancen.

Für einen Diplomaten wie Bach eine sehr klare Aussage. Aber die Wahl haben natürlich noch die 104 IOC-Mitglieder, die sich am Freitag die jeweils 70-minütigen Präsentationen der Städte anschauen.

Kandidat Nummer eins: Chicago

US-Präsident Barack Obama hat die Olympiabewerbung zur Chefsache gemacht und trommelt am Freitagmorgen in Kopenhagen für Chicago. „Die Spiele sind bei uns mit Sicherheit gut aufgehoben”, sagt er.

Aber es ist nicht allein die Strahlkraft des Präsidenten, die für Chicago spricht, es gibt starke Finanzargumente. So kommen mit Coca Cola und McDonald's zwei der Olympia-Hauptsponsoren aus den USA. Beide haben ein Interesse an Spielen vor der Haustür.

Das zweite Finanzargument ist das Geld für die Fernsehrechte, eine Haupteinnahmequelle des IOC. Für die Spiele in London 2012 sprengt der US-Sender NBC mit einer Summe von 1180 Millionen Dollar erstmals die Milliardengrenze. Die Verhandlungen für 2016 beginnen nach der Kandidatenkür, aber das US-Fernsehen will seit den Spielen 1996 in Atlanta endlich wieder Übertragungen ohne eine Zeitverschiebung.

Wahlchance: 70 Prozent

Kandidat Nummer zwei: Rio de Janeiro

Die Brasilianer treten in Kopenhagen ebenfalls mit ihrem Staatspräsidenten an. Doch berühmter als Inacio Lula da Silva ist Pele. Der König der Fußballer wirbt bei den IOC-Mitgliedern für seine Heimat.

Das Problem von Rio: Die Stadt gilt als gefährlich, doch die Regierung hat strenge Sicherheitsmaßnahmen versprochen. Sie will dafür sorgen, dass ein Strand für die Sportler abgesperrt wird, so dass nichts passieren kann.

Das Hauptargument der Brasilianer lautet: Es gab noch nie Olympische Spiele in Südamerika, und es wird Zeit dafür. Kein schlechtes Argument, doch die Fußball-WM 2014 ist bereits nach Brasilien vergeben. Im IOC sind Bedenken laut geworden, ob das Land die beiden größten Sportereignisse der Welt in so kurzer Zeit bewältigen kann.

Wahlchance: 20 Prozent

Kandidat Nummer drei: Madrid

Wo Chicago und Rio mit Präsidenten Glanz vermitteln möchten, fliegen die Spanier König Juan Carlos ein. Im Vorfeld der Olympiawahl hat die spanische Regierung ein hartes Anti-Doping-Gesetz beschlossen. Der bisher eher lockere Umgang mit dem Thema Doping in Spanien war beim IOC-Präsidenten Jacques Rogge nicht gut angekommen.

Der Nachteil Madrids: Die Sommerspiele 2012 finden in London und damit ebenfalls in Europa statt. Das IOC ist allerdings bemüht, die Kontinente regelmäßig zu wechseln.

Wahlchance: fünf Prozent

Kandidat Nummer vier: Tokio

Die Japaner hat niemand auf der Rechnung. Bei den Winterspielen 1998 in Nagano haben sie bewiesen, dass sie Spiele organisieren können, bei denen perfekte Fernsehbilder entstehen. Das Problem: Es waren Spiele ohne Herz, ohne die wirklich begeisterten Zuschauer an den Skipisten. Zudem hatte Asien mit Peking die letzten Sommerspiele.

Der Tag von Kopenhagen

Schon am Freitagmorgen beginnen die jeweils 70-minütigen Präsentationen der vier Kandidaten-Städte. Die Auslosung hat ergeben, dass Chicago um 8.45 Uhr beginnt. Es folgen Tokio (10.25 Uhr), Rio de Janeiro (12.05 Uhr) und Madrid (14.45 Uhr).

Nach den Präsentationen ist keine Zeit für Diskussionen vorgesehen. Es folgt lediglich der Bericht der sogenannten Evaluierungskommission. Da die IOC-Mitglieder die Bewerberstädte nicht mehr besuchen dürfen, hat diese Kommission die Begutachtung übernommen. Die marokkanische Hürden-Olympiasiegerin Nawal El Moutawakel ist Vorsitzende der Kommission und wird den Bericht vorstellen.

Der erste Wahlgang beginnt um 17.10 Uhr. Es kann bis zu drei Wahlgänge geben. Um 18.45 Uhr wird IOC-Präsident Jacques Rogge den Namen der Siegerstadt verkünden.

Wahlchance: fünf Prozent