Kopenhagen. Brasilien hat einen neuen Helden: Lula, der Präsident, der die Olympischen Spiele 2016 nach Rio holte und damit seine Landsleute in Jubelstimmung versetzte. US-Präsident Barack Obama dagegen erlebte bei der Olympia-Vergabe durch das IOC eine herbe Abfuhr.

Präsident Lula schämte sich seiner Tränen nicht. Etwas anderes wäre auch nicht brasilianisch. So heulte also Luiz Inácio Lula da Silva mehr als eine Stunde lang. Vor Freude. Lula, 63 Jahre alt und noch bis 2014 Präsident Brasiliens, wird als Held in die Geschichte seines Landes eingehen. Sie werden ihm ein Denkmal bauen, denn er beendet seine Dienstreise zur IOC-Vollversammlung in Kopenhagen als Olympiasieger: Rio de Janeiro richtet die Olympischen Sommerspiele 2016 aus.

Erstmals finden die Spiele in Südamerika statt. Auf diesen Umstand, endlich diese vernachlässigte Hemisphäre zu bedenken und damit den Transformationsprozess Brasiliens zu beschleunigen, von dem Lula so oft spricht, war die gesamte Kampagne ausgerichtet. „Wir sind kein unterentwickeltes Land mehr. Wir sind eine führende Wirtschaftsnation“, ruft Lula. Und brasilianische Journalisten skandieren begeistert seinen Namen.

Brasilien wird zum Sportzentrum des Planeten

Brasilien richtet 2014 die Fußball-Weltmeisterschaft aus, zwei Jahre später die Sommerspiele. Brasilien wird in den kommenden Jahren zum Sportzentrum des Planeten. Diese gewaltigen Aufgaben seien zu stemmen, das haben Lula und sein Team immer wieder erklärt und versprochen. Der Sieg in Kopenhagen war im Finale überwältigend: 66 IOC-Mitglieder stimmten für Rio, 32 für Madrid. Chicago war mit nur 18 Stimmen überraschend schon in der ersten Runde ausgeschieden, Tokio mit 20 Voten in der zweiten. Dabei hatte doch der knapp sechs Stunden währende Besuch des US-Präsidenten Barack Obama die größte Aufmerksamkeit erregt. „Meine Leute haben wir gesagt: Oh, Obama kommt. Oh, Obama ist gelandet. Wir verlieren“, erzählte Lula. „Ich habe das nie befürchtet. Ich war optimistisch.“

„Wie fühlt es sich, Präsident Barack Obama in der ersten Runde geschlagen zu haben“, wurde Lula auf der Pressekonferenz gefragt. „Ich habe keinen Präsidenten geschlagen“, sagte Lula, „Obama ist mein Freund. Ich entschuldige mich bei Chicago, Madrid und Tokio, dass ich so glücklich bin. Wir Brasilianer haben oft gelitten, wir waren oft traurig. Nun freuen wir uns!“

"Wir glaubten, wir seien zweitklassige Menschen"

Der Sieg sei aber kein Erfolg der Politiker, sondern ein Triumph des brasilianischen Volkes, erklärte Lula. Er kennt sein Geschäft, er weiß, was zu sagen ist. Er überzeugt mit Herz und Verve. Die Spiele werden helfen, endlich den brasilianischen Minderwertigkeitskomplex abzulegen, glaubt Lula. „Wir waren eine Kolonie. Wir glaubten, wir seien zweitklassige Menschen. Das ist Unsinn. Das wird sich ändern.“

Die Kerntruppe der Bewerbung Rios bestand aus NOK-Präsident Carlos Nuzman, Rios Bürgermeister Eduardo Paes, Rios Gouverneur Sérgio Cabral und Sportminister Orlando Silva. Sie haben die Sportwelt so unermüdlich beackert wie keiner der Herausforderer. Auch Lula war im Wahlkampf öfter zugegen als die Staats- und Regierungschefs der USA, Spanien und Japan.

Für Obama war es eine Abfuhr ohnegleichen

Am Wahltag, am Freitagmorgen im Bella Center von Kopenhagen, konnte auch Barack Obama nichts mehr retten. Im Gegenteil: Vor vier Jahren, im Wettbewerb um die Olympischen Spiele 2012, als die USA noch von George W. Bush regiert wurden und sportpolitisch längst isoliert waren, schied New York mit 16 Stimmen in der zweiten Runde aus. Nun scheiterte Chicago mit einer weit besseren Bewerbung, unterstützt von einem demokratischen Präsidenten, mit 18 Stimmen sogar in der ersten Runde. Das ist eine Abfuhr ohnegleichen. Sportpolitisch lässt sich das erklären: Die Amerikaner haben die gesamte olympische Welt gegen sich aufgebracht, weil sie sich beharrlich weigerten, ihren Anteil aus dem IOC-Marketingprogramm, der auf Grundlage eines steinalten Vertrages berechnet wird, neu zu verhandeln. Das amerikanische NOK kassiert mehr als alle anderen 206 NOK zusammen.

Obamas Scheitern beweist einmal mehr, dass der vermeintliche Bonus einer weltweit goutierten politischen Wende im IOC keine Wirkung entfaltet. Das mussten vor fünfzehn Jahren auch Berlins Olympiabewerber erfahren, die ernsthaft glaubten, die olympische Welt würde sich noch für den Mauerfall interessieren. Berlin wurde abserviert, so wie Chicago und Obama. Die Spezialdemokratie des IOC hat ihre Antwort gegeben.