Immer mehr Frauen bleiben in Deutschland kinderlos. Vor allem westdeutsche Akademikerinnen verzichten auf Nachwuchs. Hamburg weist den mit Abstand höchsten Anteil kinderloser Frauen auf. Das ist das Ergebnis der ersten umfassenden Untersuchung des Statistischen Bundesamtes über die Geburtenzahlen.
Essen. Seit mehr als 60 Jahren unterliegt die Entscheidung für oder gegen eigene Kinder einem Wandel. In den 50er Jahren sank zunächst der Anteil von Frauen, die drei oder mehr Kinder zur Welt brachten. Inzwischen ist für den Geburtenrückgang steigende Kinderlosigkeit verantwortlich.
Zum ersten Mal wurden im Rahmen des Mikrozensus im Jahr 2008 bei Frauen zwischen 15 und 75 Jahren erhoben, wie viele Kinder sie haben. Während bei den 60- bis 65-Jährigen nur zwölf Prozent kinderlos waren, stieg die Zahl bei den 40- bis 44-Jährigen auf 21 und bei den 35- bis 39-Jährigen auf 26 Prozent.
Bei der Entscheidung für oder gegen Kinder spielen viele Faktoren eine Rolle: etwa Lebensstandort, Bildungsniveau und Abstammung. Vor allem Städterinnen entscheiden sich oft gegen Kinder. Bei den 26- bis 35-Jährigen unter ihnen erreicht die Kinderlosigkeit gar einen Spitzenwert von 62 Prozent.
In Westdeutschland zeigt sich besonders ausgeprägt ein Zusammenhang zwischen Bildung und Kinderwunsch. Je höher der Bildungsstand, desto häufiger sei eine Frau kinderlos, sagte der Präsident des Statistischen Bundesamtes Roderich Egeler. 2008 hatten 28 Prozent der 40- bis 75-jährigen Akademikerinnen keine Kinder. Doppelt so viele wie bei jenen mit geringerer Bildung.
Ostdeutsche Frauen sind generell seltener kinderlos. Frauen mit Migrationshintergrund bekommen häufiger ein oder mehrere Kinder. Fast 20 Prozent dieser Frauen haben drei, zehn Prozent vier Kinder. Bei den in Deutschland geborenen Müttern liegt der Anteil mit 12 und drei Prozent niedriger.
Ursachen für die steigende Kinderlosigkeit gibt es tatsächlich viele. Wegen der langen Ausbildung und dem späten Berufseinstieg verschöben viele junge Leute den Gedanken an Kinder jenseits ihres 30. Geburtstages. „Aus der freiwilligen Kinderlosigkeit wird dann aus biologischen Gründen nicht selten eine unfreiwillige”, so der Bielefelder Familiensoziologe Dirk Konieczka. Deutlich sei jedoch auch, dass in europäischen Ländern, in denen der Anteil berufstätiger Mütter hoch sei, Geburtenrate und durchschnittliche Kinderzahl pro Frau höher seien als in Deutschland.