Berlin. Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker hat Recht: Bis vor wenigen Jahren wurde in Deutschland Steuerhinterziehung begünstigt. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück dementiert - und gerät damit in die Defensive.

Im Streit um den Umgang mit Steueroasen gerät Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) in die Defensive. Am Montag ließ er zurückweisen, dass Deutschland selbst bis vor wenigen Jahren die Steuerhinterziehung begünstigt habe. Diesen Vorwurf hatte am Wochenende der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker erhoben.

Das Dementi änderte freilich nichts an der Lage: Juncker hat Recht.

Rüder Ton

Steinbrück hat sich in den vergangenen Wochen vor allem bei Schweizer und luxemburgischen Politikern unbeliebt gemacht. In teils rüdem Ton forderte der Finanzminister, die Nachbarstaaten sollten deutsche Bürger nicht mehr bei deren Steuerhinterziehung unterstützen.

Steuerflucht

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) drängt auf internationale Vereinbarungen, um Steuerflucht vorzubeugen. Diese Vereinbarungen sollen es deutschen Finanzämtern ermöglichen, mehr Informationen über im Ausland verborgene Konten und Gewinne zu erhalten. Wegen Steuerflucht ins Ausland gehen den Finanzämtern jährlich Milliarden Euro verloren.

Luxemburgs Premier Juncker konterte am Wochenende: „Deutschland war bis Juli 2005 die größte Steueroase Europas". Auch wenn es übertrieben erscheinen mag – sachlich liegt Juncker richtig.

Das Bundesfinanzministerium gibt in seinen Steuer-Tabellen für 2003 und 2005 selbst den Steuersatz für die Zinseinkünfte „nichtansässiger Ausländer" mit null an. Michael Hendricks von der Bonner Steuerkanzlei Flick, Gocke, Schaumburg erklärt, was das bedeutete: Ein in Paris wohnender Franzose konnte ein Millionen-Konto in Deutschland einrichten und musste für Zinsen hierzulande keine Abgaben entrichten. Dies war eine Einladung zur Steuerflucht, die Frankreich schädigte.

Das Dementi von Steinbrücks Sprecher Torsten Albig fiel entsprechend lahm aus. Die Vorwürfe des Luxemburgers erklärte er mit dem Wahlkampf im Nachbarland. Im übrigen sei die deutsche Steuerverwaltung immer kooperativ gewesen, wenn sie Anfragen von ausländischen Finanzämtern erhalten habe. Für die Gegenwart trifft Junckers Vorwurf nicht mehr zu. Seit Juli 2005 ist die europäische Zinsrichtlinie in Kraft. Deutschland liefert jetzt Informationen über Zinseinkünfte von Ausländern an deren Heimatstaaten, damit diese Einkünfte dort versteuert werden können. Belgien, Österreich und Luxemburg nehmen für sich dagegen eine Ausnahmeregelung in Anspruch. Sie geben weiterhin wenig Informationen an deutsche Finanzämter, überweisen zum Ausgleich aber automatisch eine so genannte Quellensteuer.

Burkina Faso meldet sich

Unter anderem Luxemburg steht auf der „grauen Liste” der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD). Auf dieser Liste sind Staaten aufgezählt, die die internationalen Regularien gegen Steuerflucht anerkennen, aber nicht völlig umsetzen.

Nach den Regierungen der Schweiz und Luxemburgs hat sich nun auch das westafrikanische Land Burkina Faso zu Wort gemeldet. Die Finanzbürgermeisterin der Hauptstadt Ouagadougou wies darauf hin, dass die Finanzverwaltung eines armen Landes nicht so effektiv sein könne wie in Europa. Davon abgesehen ist Burkina Faso nicht als Steueroase bekannt, die Deutschland Probleme bereitet. Das Land steht auf dem UN-Index für menschliche Entwicklung auf dem 176. und damit vorletzten Platz.