Berlin. Mit List und Tücke näherte sich SPD-Chef Sigmar Gabriel seiner Kontrahentin Angela Merkel. Bei einer Versammlung des Arbeitgeberverbandes machte der Sozialdemokrat Merkel ein Angebot, das sie auf jeden Fall ablehnen muss.

Beim Bridge-Spiel kommt es aufs Zusammenspiel an. Nach der „Großen Depression” war es angesagt. Beim Poker dagegen, das inzwischen salonfähig ist, ist jeder auf sich allein gestellt. Gute Nerven und Bluff-Qualitäten sind gefragt. „Lassen Sie uns wieder mehr Bridge zusammen spielen”, ruft SPD-Chef Sigmar Gabriel. Es ist der Schlusssatz, der noch nachhallen soll, wenn Gabriel nicht mehr am Rednerpult beim Arbeitgeberverband steht.

Das Angebot gilt weniger seinem Gastgeber als der Vorrednerin: Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. Die SPD hofft, wieder politisch ins Spiel zu kommen, wenn sie ihre Karten nur richtig ausspielt.

Draufhauen wäre jetzt eine Möglichkeit. Und rollengerecht. Gabriel weiß es und hat sich doch anders entschieden, als er beim Arbeitgebertag das Wort ergreift. Er bietet der Kanzlerin seine Hilfe an. So trickreich, so unkonventionell nimmt ihr erstes Aufeinandertreffen seinen Lauf, nachdem sie im Amt bestätigt und er zu ihrem Gegenspieler bestimmt wurde.

Koalition im Dauerclinch

Gabriels Angebot zum „Pakt der wirtschaftlichen Vernunft” kommt zu einer Zeit, in der Merkel Unsicherheiten beim Krisenmanagement zeigt; und ihre Koalition im Dauerclinch liegt. Nicht zuletzt greift Ga-briel ein Angebot Merkels auf. „Jeder kann Deutschland besser machen”, hatte sie in ihrer ersten Regierungserklärung betont. Das schließe die Opposition („Das Land braucht uns alle”) ein. Zwei Wochen später plädiert der SPD-Chef dafür, „unser Land gemeinsam durch die Krise zu steuern”.

Es ist ein Angebot, das Merkel nicht annehmen darf. Der Pakt würde voraussetzen, dass Union und FDP ihre Politik leugnen. Die Parole „mehr Netto” ist für Gabriel nicht die beste Strategie, um Investitionen auszulösen. Merkel will Steuern senken, er die Sozialbeiträge. Sie will die Nachfrage anregen, er mehr die Investitionen. Sie setzt auf die Kaufkraft. Er vermutet, dass die Bürger mehr Geld zurücklegen und den Kommunen Einnahmen für Investitionen fehlen würden. „Das werden die Handwerker, die Bauunternehmer bitter zu spüren bekommen.” Der SPD-Chef hat die Auftragsbücher im Auge – nicht die Sparbücher.

Minimum an Beifall

Es ist ein ungleiches Duell vor den Arbeitgebern. Sie wird hofiert. Seine Rede verfolgen sie mit verschlossenen Mienen und verschränkten Armen, ehe er mit rigorosem Beifallsminimum an seinen Platz zurückbeklatscht wird. Und doch ist er zufrieden.

„Ein sicherer Grund, auf dem man das nächste Jahr ins Auge fassen kann, liegt schlicht und ergreifend nicht vor”, hatte die Kanzlerin gesagt. Merkel ist also noch auf der Suche nach einer Strategie. „Einfach immer weiter mit den ganz niedrigen Zinssätzen zu machen, wird die nächste Blase hervorrufen.” Weiter so, geht nicht – die Botschaft, die sie eint.

Schwarz-gelbe Streitpunkte

Die einzige Passage in Gabriels Rede, die spontan beklatscht wird, betrifft die Kritik am Betreuungsgeld, über das Union und FDP streiten. Das ist der zweite Punkt, an dem die SPD ansetzt: an der Zerrissenheit von FDP und Union. Ein weiteres Beispiel dafür ist der Mehrwertsteuersatz, der fürs Hotelgewerbe reduziert werden soll. Obwohl es bloß ein Detail ist, hängt das Steuerpaket von Schwarz-Gelb davon ab. Es sei „kein Selbstläufer”, räumt Unions-Fraktionsmanager Peter Altmaier ein. Im Bundesrat ist die Mehrheit gefährdet. CDU und FDP in Schleswig-Holstein wollen keine Einnahmeausfälle in Kauf nehmen. Auch in der Unions-Fraktion gebe es „noch erheblichen Begründungs- und Beratungsbedarf”, so Altmaier. Längst geht es um mehr.

Für den CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich ist die Mehrwertsteuer-Ermäßigung der „Prüfstein” dafür, ob die Koalition eine größere Neuordnung der Mehrwertsteuer hinkriegt.

Merkel sieht keinen Anlass für ein Machtwort. Für Altmaier ist das „keine neue Botschaft”. Es gehöre „nicht unbedingt zu ihrem Regierungsstil”.

Bei allen Auseinandersetzungen, ob um Steuern, Betreuungsgeld oder die Besetzung des Beirats einer deutsch-polnischen Stiftung – stets setzt Merkel darauf, dass andere die Nerven verlieren.

Vielleicht beherrscht Merkel Bridge. Poker kann sie zweifellos.