Zur Trauerfeier für Robert Enke
Die These sei gewagt: Wo sich am Wochenende Familien oder Freundeskreise zusammenfanden, vielleicht weil sie zum Essen verabredet waren, da saß auch das Thema Robert Enke mit am Tisch. Vermutlich stand nicht mehr so sehr der Selbstmord im Mittelpunkt der Gespräche, sondern das Für und Wider einer Trauer-Inszenierung, die man in ähnlich pathetischer Form zuletzt im April 1967 gesehen hat.
Als Konrad Adenauer starb, wurde sein Sarg vom Kölner Dom, wo die Trauerfeier stattfand, auf einem Schiff der Bundeswehr zum Friedhof in Rhöndorf bei Bonn gefahren. Mancher empfand das damals als unangemessenen Pomp. Doch Adenauer war immerhin der erste Bundeskanzler nach dem Krieg, ein Staatsmann, den man als Begründer der modernen Bundesrepublik bezeichnen kann, der Entscheidungen traf, die bis heute das innere und äußere Koordinatensystem der Nation prägen.
Die persönliche Tragödie des Menschen Robert Enke wird niemanden unberührt lassen, der zu Mitgefühl fähig ist, und die ehrliche Trauer so vieler Menschen beeindruckt. Aber hier starb – ein Fußballer, ein Akteur in einem Unterhaltungsbetrieb, dessen Bedeutung man früher mal als „schönste Nebensache der Welt” umschrieb.
Der Sarg dieses unglücklichen Menschenkindes wurde auf den Elfmeterpunkt gestellt, drumherum schwelgten Zehntausende im Gefühlsrausch, im Fernsehen herrschte Ausnahmezustand. Über Geschmack lässt sich schlecht streiten, über Stilfragen auch nicht. Aber man darf als Beobachter finden, dass hier einige Maßstäbe verrutscht sind.