Duisburg. Vor einem Jahr ging in Amerika die Investmentbank Lehman Brothers pleite. Noch immer treffen sich in Duisburg einige Opfer. "Die Alten und die Doofen" nennen sie sich. Dabei vertrauten sie ganz einfach ihrer Bank und den Beratern.

Regelmäßig treffen sich die Alten und Doofen in Duisburg. Heute geben sie sich im Brauhaus „Schacht 4/8” Halt und ihrer Wut Raum. Das ist nötig: Vor einem Jahr verloren sie tausende Euro. Damals ging die US-Investmentbank Lehman Brothers pleite, sie hatte sich verzockt.

Alt und Doof nennen sich die Menschen, die in der Duisburger Kneipe sitzen, mit Galgenhumor. Die Bezeichnung haben sie nicht erfunden, sondern geklaut: Banker nannten Privatanleger, die sich Lehman-Zertifikate aufschwatzen ließen, AD-Kunden: Alt und Doof. Älter sind die Duisburger Geprellten fast alle. Dumm wirkt keiner. Sie kämpfen, gemeinsam und mit Anwälten, um ihr Geld zurückzubekommen. Ihre Geschichten sind haarsträubend – und geben einen Eindruck, was schief läuft im weltweiten Finanzkasino.

Lukrativ und todsicher

Wolfgang Dülk (61) ist einer der Geleimten. Und sauer auf die Citibank, die ihn finanziell sicher durch den Lebensabend lotsen sollte. Seine Praxis musste der Physiotherapeut aus Gesundheitsgründen schließen. Also wollte er das Ersparte anlegen. Sein Bankberater empfahl eine lukrative todsichere Anlage, die fast wie Festgeld sei, erzählt Dülk. Gut klang das. Er steckte 25.000 Euro in Lehman-Papiere.

Bei anderen, die in Duisburg am Kneipentisch sitzen, löste sich noch mehr Geld in Luft auf: 50.000 Euro, gar 120.000 Euro. So viel verlor der 42-jährige Angestellte eines Konzerns, ebenfalls Citibank-Kunde: „Ich bin kein AD-Kunde, sondern ein LEO – Leicht Erreichbares Opfer.” Der Vater zweier Kinder wollte das Ersparte mehren, um später das Haus abzubezahlen. Er dachte an Festgeld. Sein Bankberater pries Lehman-Zertifikate als sicher – und steuerlich günstiger, erzählt er. Und lockte ihn damit in die riskante Anlage.

"Mein Berater hat die Steuervorteile gelobt"

„So war's auch bei mir, auch mein Berater hat die Steuervorteile gelobt”, fallen ihm andere ins Wort. Von Risiken habe kein Bankberater gesprochen. Die Lehman-Geschädigten dachten, sie hätten ihr Geld Gewinn bringend und zugleich sicher angelegt.

Dabei hat keiner am Kneipentisch wirklich verstanden, was Zertifikate sind – weder damals beim Kauf der Bank-Schuldverschreibungen noch heute. Folgerichtig ließ Lehmans Pleite am 15. September 2008, die weltweit Schlagzeilen machte, die Duisburger zunächst kalt. „Das geht mich nichts an”, dachten sie, „ich habe doch mein Geld bei der Citibank angelegt.” Bis sie die Folgen begriffen und ihre Depotauszüge sahen: Die Lehman-Papiere wurden mit dem Konkurs der US-Bank wertlos.

Die Frage stellt sich: Warum steckten die Duisburger Sparer ihr Geld in etwas, das sie nicht verstanden? Die Antwort ist einfach: Sie vertrauten ihrer Bank und ihrem Berater. Die Citibank umschmeichelte sie, erzählen die Geschädigten. Sie erhielten Blumen, Wein, Einladungen zum Golfen oder zum Fußballspiel.

Marion Adamski (56), eine energische Frau, die 20.000 Euro in Lehman-Papieren versenkte, sagt: „Wir hatten zu unserem Bankberater ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut und mit ihm auch über Familiäres geredet.” Alle am Tisch nicken eifrig; ja, genauso sei es gewesen.

Dass man sich den Bankberater als Vertrauten wünscht, ist verständlich: Wer die Welt der Geldanlagen betritt, kann schnell überfordert sein von all den teils komplexen Möglichkeiten. Nicht nur Lehman-Geschädigten geht das so. Die weltweite Finanzkrise, die seit Frühjahr 2007 schwelt, hat ihren Keim in Spekulationen mit US-Hypothekenkrediten: Sie wurden gebündelt, ent- sowie neu geschnürt und und mehrfach weiterverkauft. Die Risiken übersah die Finanzwelt.

Auch nur ein Verkäufer

Die Duisburger Lehman-Geschädigten dachten, sie hätten in ihrem Bankberater einen verlässlichen Lotsen in der großen weiten Anlagewelt. „Man kann ja auch nicht Medizin studieren, bevor man zum Arzt geht”, sagt Adamski. „Wir haben unserem Bankberater genauso vertraut wie unserem Hausarzt.” Sie und all die anderen Lehman-Opfer wissen es heute besser: Auch ein Bankberater ist nur ein Verkäufer. Diese Erkenntnis haben sie teuer bezahlt.