Ruhrgebiet. . Wie kann das Ruhrgebiet seine Zukunft gestalten? In der großen WAZ-Serie „Leben morgen“ zeichnen Experten ein differenziertes Bild.

Eric Weik.
Eric Weik. © Ralph Bodemer

„Wir müssen so viel Raum für Innovationen schaffen, wie nur möglich“, sagt Eric Weik, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittleres Ruhrgebiet. Er schlägt einen Campus zum Thema Elektromobilität vor. Vorbild: der Gesundheitscampus in Bochum. Zugleich bricht er mit einer klassischen Forderung der IHK, dem Ausbau von Straßen. Mit Blick auf die Entwicklung hin zum selbstfahrenden Auto erklärt Weik: „Das viele Geld, das der Ausbau einer Autobahn verschlingt, wäre vermutlich am besten investiert in Infrastruktur, die Möglichkeiten schafft.“

Roland Doehrn
Roland Doehrn © Inga Kjer/photothek.net

„Der Strukturwandel ist nie abgeschlossen“, warnt auch Roland Döhrn vom RWI–Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. „Der traditionelle Industriearbeitsplatz fällt weg. Selbst Leute mit mittlerer Qualifikation werden es schwerer haben. Eher schlecht bezahlte Jobs nehmen zu, zum Beispiel in der Pflege und Logistik. Was man hoffen kann, ist, dass um die Unis herum ganz neue Dinge passieren.“

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Die Arbeitswelt werde deutlich virtueller, erwartet der Konjunkturforscher, die Firmen würden kleiner. Angesichts des Trends zur dezentralen Energieversorgung sei es zudem nicht ausgemacht, dass das Ruhrgebiet seinen Platz als Energiezentrale Europas halten könne.

Das Ruhrgebiet habe bereits bewiesen, dass es „Strukturwandel kann“, macht Jan Ehlers, Vizepräsident der Uni Witten/Herdecke, Mut. Der Medizin-Experte sagt, die Region könne deshalb bei der Gestaltung der Gesundheitsbranche weit vorn sein, „wenn es die Digitalisierung als Chance begreift“.

Axel Biermann
Axel Biermann © Fabian Strauch

Axel Biermann, Chef von Ruhr Tourismus, denkt, dass die Region im Jahr 2040 zu den „Magic Cities“ gehört, den zehn touristisch attraktivsten Großstädten Deutschlands. Das würde rund 25 Millionen Übernachtungen pro Jahr bedeuten, aktuell sind es acht Millionen.

Der Trendforscher und ehemalige Folkwang-Professor Peter Wippermann glaubt allerdings, „der Begriff Ruhrgebiet wird an Bedeutung verlieren. Dass Größe zählt, ist eine Idee aus der Industriezeit, in der Netzgesellschaft zählt Qualität.“ Man solle die Städte bewerben und stärken, nicht die Region. Eine kompatible Infrastruktur zu schaffen, etwa bei Bus und Bahn, sei eine Selbstverständlichkeit.

Laut Statistischem Landesamt soll das Revier bis 2040 fast vier Prozent Einwohner verlieren, dann wohnen hier noch rund 4,9 Millionen Menschen. Dortmund (5,1 %) und Essen (3,6 %) gewinnen allerdings sogar Bürger dazu.

Peter Wippermann
Peter Wippermann © Arnold Rennemeyer

Es würden auch stärker kulturell geprägte Stadtteile entstehen, so Wippermann. Aber darin liege die Grundvoraussetzung, dass etwas Neues entsteht. „Die Alternative, diese Stadtteile künstlich zu durchmischen, wird nicht funktionieren.“