Essen. . Der CDU-Gesundheitspolitiker Peter Liese teilt die Forderung nach unangemeldeten Kontrollen in Kliniken.
In Tierställen und Krankenhäusern wird die Saat für resistente Keime gelegt, gegen die dann oft keine Medikamente mehr helfen. Über mögliche Lösungen sprach Redakteur Klaus Brandt mit CDU-Vorstandsmitglied Peter Liese, Arzt und gesundheitspolitischer Sprecher der EVP im Europaparlament.
Sie wollen den Einsatz von Medikamenten, die als Reserveantibiotika für Menschen die letzte Rettung sein können, in der Tierhaltung verbieten.
Peter Liese: Ein Vorschlag der EU-Kommission zielt darauf, bestimmte Substanzen zu verbieten. Vorher soll ein Expertenausschuss noch einmal eingehend darüber beraten und die einzelnen Möglichkeiten durchspielen. Ich würde das gerne sofort machen. Erstens weil ich glaube, dass es eilt. Zweitens aus politischer Überzeugung: Wenn man das verbietet, ist es ein starker Eingriff in die Landwirtschaft. Wenn man es nicht verbietet, kann es möglicherweise Menschenleben kosten.
Die Sache möchte ich nicht gerne Experten überlassen, die muss man natürlich anhören und die Argumente gewichten, aber wir sollten als Abgeordnete die Entscheidung treffen. Das sind ja in erster Linie die Cephalosporine der dritten und vierten Generation und die Gyrasehemmer, zwei verschiedene Arten von Antibiotika, die relativ modern sind, und die beim Menschen eingesetzt werden, wenn die anderen nicht mehr helfen. Diese Antibiotika werden offensichtlich noch stark in der Tiermast eingesetzt. Und da bin ich der Meinung: Lieber mal ein Tier notschlachten als ein Menschenleben gefährden.
HygieneRenommierte Hygieniker fordern, die Reserveantibiotika-Verordnung nur noch speziell befugten, geschulten Ärzten zu überlassen. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Liese: Das erscheint mir sinnvoll, denn der Begriff Reserveantibiotika ist ja gesetzlich gar nicht definiert. In der Medizin ist es gute Praxis, Medikamente nicht ohne guten Grund einzusetzen, aber wenn es anders gemacht wird, fehlt eine rechtliche Handhabe dagegen. Für Ärzte, die eine solche Ausbildung nicht haben, dürfte das zwar auf den ersten Blick eine Einschränkung sein. Unterm Strich aber könnte es für die Allgemeinheit sinnvoll sein.
In Holland werden Patienten vor der Klinikaufnahme auf MRSA untersucht und Keimträger sofort isoliert. Weil es Infektionen verhindert und Kosten spart, fordern das Experten auch bei uns.
Alle Maßnahmen für die Humanmedizin können wir im EU-Parlament nicht vorgeben, aber ich glaube, es ist sehr sinnvoll, zu schauen, was die Nachbarn besser machen. Und da gibt es einiges. Es lohnt sich genau hinzuschauen, nach Holland oder auch nach Frankreich. Und es ist eine Krankheit unseres Gesundheitswesens, dass man immer nur auf die offensichtlichen Kosten schaut und nicht auf die vielen vermeidbaren Kosten. Vorsorgen ist besser als heilen. Das gilt hier ganz besonders.
Auch interessant
Sollte es unangemeldete Hygiene-Kontrollen in Krankenhäusern geben?
Liese: Das unterstütze ich vorbehaltlos. Wir haben gerade eine analoge Diskussion auf europäischer Ebene. Wir bekommen Hygieneprobleme, wenn Medizinprodukte nicht richtig gehandhabt werden. Es ist ja extrem wichtig, dass die fachgerecht wieder aufbereitet werden und zwar so, dass keine Infektionen entstehen.
Wir hatten ja den PIP-Skandal um schadhafte, minderwertige Brustimplantate. Da war in der Tat das Hauptproblem, dass die Herstellerfirma dem TÜV zwar eine wunderbare Dokumentation vorgelegt hat, der zufolge alles in Ordnung war. Doch letzte Woche hat mir ein Insider aus der Industrie erzählt: Immer wenn der TÜV zum Kontrollieren kam, wussten die das vorher und haben die Produktion von der mangelhaften, mit dem schlechten Industrie-Silikon, wieder auf die richtige, mit dem hochwertigen medizinischen Silikon, umgestellt. Da war immer alles in Ordnung, wenn jemand kam, weil die ja wussten, dass er kommt. Und das hat die kriminellen Machenschaften gedeckt.
Das ist für uns die wichtigste Lehre, die wir jetzt umsetzen: Dass es unangemeldete Kontrollen geben muss. Und was für medizinische Produkte gilt, muss auch für die grundsätzliche Hygiene im Krankenhaus gelten. Erstens ist es die Chance, Verstöße zu entdecken, und zu sagen: Halt! So geht es nicht. Aber noch viel mehr: Weil man weiß, dass man erwischt werden kann, passt man einfach viel besser auf. Und das ist extrem wichtig.
Auch interessant
Patienten bekommen die Hygieneakten der Kliniken nicht zu Gesicht.
Liese: Das ist kompliziertes nationales Medizinrecht, aber politisch würde ich sagen: So etwas kann nicht sein. Das hört sich nicht logisch an.
Thema: Transparenz. Über Ausbrüche resistenter Keime wie VRE informieren in den Niederlanden Presse, Funk und Fernsehen – einerseits um solche Ausbrüche nicht unbeherrschbar werden zu lassen, andererseits um Patienten mit verschiebbaren OPs zu zeigen: Hier gibt es gerade ein Problem.Warum nicht bei uns?
Liese: Wir haben in Deutschland sehr gerungen über die Veröffentlichung von Mängeln im Nahrungsmittelgewerbe. Die Forderung nach der Hygieneampel wurde erst von den Bundesländern befürwortet, ehe es dann juristische Probleme gab. Durch mangelnde Hygiene in Restaurants, Fleischereien und Cafés sterben kaum Menschen. Das ist zwar trotzdem nicht schön, und man sollte da auch vorsichtig sein. Doch bei der Hygieneampel ging es auch um ein Eingreifen, wenn ein Grenzwert gar nicht überschritten wird.
Die SPD hat in den Koalitionsverhandlungen beim Thema Verbraucherschutz gesagt: Auch wenn die Werte noch in Ordnung sind, aber leicht erhöht, unterhalb des Grenzwertes, muss man das veröffentlichen. Und da sage ich: Warum gibt es eigentlich keine Ampel für Krankenhäuser? Da ist es wesentlich lebensgefährlicher. Wenn da Fehler passieren, dann hat das doch direktere Konsequenzen als eine Verunreinigung in der Sahnetorte, die sicher nicht wünschenswert ist, aber auch nicht gleich Lebensgefahr bedeutet.
Wenn wir darüber reden, dass bei Fleischereien und Restaurants Dinge veröffentlicht werden, die noch im Rahmen sind, und das ist eine echte Forderung, die in den Koalitionsverhandlungen auf dem Tisch lag, dann ist es nicht einsichtig, warum solche Dinge nicht veröffentlicht werden, die direkten Einfluss auf Leben oder Tod haben. Das mag juristisch knifflig sein, aber es erscheint mir plausibel, dass man nicht das Eine fordern und das Andere weglassen kann.
Weil es wirtschaftliche Nachteile haben könnte für die betroffene Klinik, werden solche Informationen bisher zurückgehalten.
Liese: Es sollen die Kliniken wirtschaftlichen Erfolg haben, die ordentlich arbeiten. Ich gönne jedem Krankenhaus den wirtschaftlichen Erfolg, aber nicht auf Kosten der Patienten.