Essen. Wenn der Fahrkartenautomat kaputt ist, brauche ich kein Ticket zu kaufen? Falsch! Wir räumen mit diesem und neun weiteren Bahn-Irrtümern auf.
1) Seit der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft gibt es bei der Bahn keine Beamten mehr.
Falsch! Rund 5000 der 20.000 Lokführer der Bahn sind heute noch Beamte. Sie sind "Überbleibsel" des ehemaligen Staatsunternehmens, das 1994 privatisiert worden ist.
Offiziell beschäftigt sie der Staat, der sie an den Bahn-Konzern ausleiht. Deshalb dürfen die verbeamteten Lokführer auch nicht streiken.
2) Bei Zugverspätung gibt es Geld zurück.
So einfach ist das leider nicht. Erst ab einer Verspätung von einer Stunde erstattet die Bahn überhaupt etwas, nämlich 25 Prozent des Fahrpreises. Ab zwei Stunden Verspätung bekommt der Kunde 50 Prozent zurück.
Inhaber von Zeitkarten entschädigt die Bahn pauschal: Im Nahverkehr (2. Klasse) gibt es bei einer Verspätung von mindestens 60 Minuten 1,50 Euro. Allerdings zahlt die Bahn Beträge erst ab vier Euro aus. Pendler müssen also mehrere Verspätungs-Entschädigungen ansammeln, bevor sie tatsächlich Geld zurückbekommen.
3) Wenn der Fahrkartenautomat kaputt ist, muss ich kein Ticket kaufen.
Falsch. Wer am Automaten scheitert, darf sich nicht in einfach in den Zug setzen und auf den Kontrolleur warten. Er muss vielmehr umgehend selbst den Zugbegleiter suchen und ihn auf sein Ticket-Problem hinweisen.
Zudem empfiehlt es sich, ein Beweisfoto des defekten Automaten zu machen. Ist an dem Gerät eine Service-Hotline genannt, bietet es sich an, dort anzurufen und Bescheid zu geben: Das sorgt einerseits dafür, dass der Automat schnellstmöglich repariert wird, andererseits belegt es den guten Willen des Fahrgasts.
4) Wenn die 2. Klasse voll ist, darf ich mich in die 1. Klasse setzen.
Das machen zwar Viele und gelegentlich drücken auch Kontrolleure ein Auge zu - rechtens ist es aber nicht. " Ein Anspruch auf einen Sitzplatz oder auf Unterbringung in der 1. Klasse bei Platzmangel in der 2. Klasse besteht nicht", heißt es in Paragraf 13 der Eisenbahn-Verkehrsordnung (EVO).
Dort steht auch klar, dass Reisende keinen Anspruch auf eine Entschädigung haben, wenn sie in einem überfüllten Zug keinen Sitzplan finden können.
5) Hunde fahren kostenlos mit.
Nein, das gilt nur für Züge des VRR, nicht aber im Fernverkehr. Dort müssen Hundebesitzer für ihre Vierbeiner einen ermäßigten Fahrschein kaufen. Ausnahme: Wenn Bello in einer Transportbox reist, gilt er als Gepäckstück und fährt kostenlos mit.
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Eine Dortmunderin musste jüngst im IC ein Ticket für ihren Hund nachlösen. Auf Nachfrage unserer Redaktion erläuterte ein Bahnsprecher das System: "Das ist eine tarifliche Bestimmung der Deutschen Bahn AG, und die ist sehr alt. Das, was ein Mensch in einem Arbeitsgang als Traglast mit in den Zug nehmen und unter dem Sitz oder auf der Gepäckablage als Gepäck verstauen könnte, ist kostenfrei."
6) Wenn mein Nahverkehrszug viel Verspätung hat, kann ich auch den nächsten IC oder ICE nehmen.
Das gilt nur in Ausnahmefällen. Dann gibt die Bahn die Fernverkehrszüge einzeln für Inhaber von Nahrverkehrstickets frei und teilt das den Kunden via Durchsagen am Bahnhof mit. Wer sich ohne entsprechende Freigabe in einen IC oder ICE setzt, muss bei einer Kontrolle nachzahlen.
7) Als Inhaber eines Gruppentickets, zum Beispiel SchönerTag NRW, darf ich meine Mitfahrer zwischendurch austauschen.
Nein, das widerspricht den Beförderungsbedingungen der Bahn. Dort heißt es eindeutig: Die Mitfahrer müssen schon vor der ersten Fahrt feststehen und dürfen nicht mehr ausgetauscht werden.
In der Praxis ist das fürs Bahnpersonal natürlich kaum zu kontrollieren. Auf den meisten Gruppentickets wird nur der Name des Inhabers vermerkt.
8) Die Bahn wird immer unpünktlicher.
Ist die Bahn nicht eigentlich immer unpünktlich? Und wird es nicht jeden Tag schlimmer? Nein, so gern man über den Konzern schimpft, die Statistik spricht eine andere Sprache: 94,5 Prozent aller Züge sind laut eigener Erhebung der Bahn 2014 pünktlich angekommen. Im Nahverkehr liegt der Wert höher (94,9 Prozent), im Fernverkehr niedriger (76,5 Prozent). Damit verfehlte die Bahn ihr selbstgestecktes Ziel, dass 80 Prozent der Fernverkehrszüge pünktlich sein sollten.
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"Pünktlich" im Sinne der Bahn ist ein Zug, wenn er weniger als sechs Minuten später als im Fahrplan verzeichnet ankommt. Die Pünktlichkeitswerte der Bahn sind seit Jahren in etwa konstant, wie die folgende Tabelle zeigt:
Jahr | 2014 | 2013 | 2012 | 2011 |
Pünktlichkeit | 94,5% | 94,1% | 94,6% | 94,8% |
Quelle: DB
9) Eine Bahncard lohnt sich nur für Vielfahrer.
Das kann man nicht so pauschal sagen. Die Bahncard25 etwa kann sich schon bei einer größeren Reise lohnen. Rechenbeispiel: Wer von Essen nach München und zurück will, zahlt für ein reguläres Ticket 284 Euro. Inhaber der Bahncard25 zahlen 213 Euro. Die Bahncard selbst kostet 62 Euro. Macht unterm Strich eine Ersparnis von 9 Euro bei nur einer Reise.
Wer seine Reise langfristig planen kann, profitiert aber oftmals mehr von Frühbucher-Angeboten als von Bahncard-Ermäßigungen. Zudem lohnt ein Blick auf die Preistafeln der Fernbus-Anbieter: Die sind häufig noch günstiger als die Angebote der Bahn.
10) Bahnchef Grube hat keinen Vornamen.
"Ich hab' keinen Vornamen mehr", klagte schon Grubes Vorgänger, "Ich heiße immer nur Bahnchef Mehdorn." Herr Grube weiß inzwischen, wovon Herr Mehdorn sprach. In der öffentlichen Debatte heißt auch er schlicht "Bahnchef Grube".
Doch entgegen der verbreiteten Annahme, seine Eltern hätten ihn in weiser Voraussicht seiner Karriere auf diesen Namen taufen lassen, hat Grube sehr wohl einen weltlichen Vornamen: Rüdiger.