Essen. Kaputte Hydranten, nasse T-Shirts und Frauen auf Motorhauben – wenn es um Erotik geht, ist „Germany's next Topmodel“ so fortschrittlich wie der Pirelli-Kalender von 1983. Nicht alle finden das lustig. Nach der „Sexy Edition“ packt Kandidatin Anna freiwillig die Koffer.
Der Befehl kommt von ganz oben: „Nehmt mal Unterwäsche-Position ein“, sagt Heidi Klum. Dann kippt sie vier XL-Shopping-Tüten voller BHs auf den Tisch. Es ist die Generalprobe für eine freizügige Modenschau vor der Model-Villa. Während sich die Nachwuchsmodels umziehen, gibt Klum Tipps zum Posing. Anna schwant Übles: „Ich steh' nicht so auf gewollt sexy.“ Das kann nicht gutgehen. Die nächsten 90 Minuten "Germany's next Topmodel" bestehen nämlich fast ausschließlich aus „gewollt sexy“.
Oft kommt auch noch unfreiwillige Komik hinzu. So beim Casting für einen Werbespot. Der Sponsor von „Germany's next Topmodel“ will sein Auto – einen kugelförmigen Kleinwagen – erotisch aufladen. Die Szene: Fahrer im Anzug stalkt Model im Schritttempo, kurbelt die Scheibe runter, fängt an zu flirten und steigt aus. Model ist entzückt und beginnt, auf Rosenblüten zu tanzen. Letztere stammen offenbar vom Blumenladen nebenan.
GNTMDer Regisseur dieses erotischen Meisterwerks nimmt seine Aufgabe sehr ernst. Mit Aminata ist er nicht zufrieden, sie tanzt ihm zu extrem: „Die Aufgabenstellung ist eine sehr spezifische! Das hier erinnert mich zu sehr an ein Musikvideo.“ Die Zuschauer erinnert das Ganze vor allem an den Ausknopf auf der Fernbedienung.
Beim Thema Erotik steckt "Germany's next Topmodel" tief in den 80ern
Die Szene zeigt nebenbei: Wenn es um Sexiness geht, steckt „Germany's next Topmodel“ irgendwo in der Mickey-Rourke-Zeit, als Erotik noch was mit wehenden Vorhängen, Saxofonen und Kirschen im Bauchnabel zu tun hatte. Da darf dann auch der kaputte Hydrant nicht fehlen, vor dem sich die Nachwuchsmodels (wet t-shirt!) räkeln müssen.
So zu beobachten im nächsten Foto-Shooting. Diesmal befinden wir uns in einer schwülen Retro-Kulisse, die ein bisschen nach Brooklyn anno dazumal aussehen soll. Das Auto als Lustobjekt ist auch hier ein Muss. Immerhin ist es jetzt ein alter Straßenkreuzer amerikanischer Bauart – für den Klassiker „Frau auf Motorhaube“ in jedem Fall besser geeignet.
Wer bei GNTM nicht sexy genug ist, kann gehen
Fehlen nur noch die Engelsflügel. Klum selbst hat sie bekannt gemacht, als sie mal für das Unterwäsche-Label „Victoria's Secret“ gelaufen ist. Die Szene wird in jeder Staffel der Model-Show gezeigt. Diesmal bleibt es nicht beim Clip. Klum hat ihre Kontakte ausgespielt und neun Paar Flügel besorgt. Mit diesen müssen die Kandidatinnen nun den Laufsteg beschreiten.
Backstage üben die Mädchen schon mal den Engelsgang – und den Kussmund fürs Finale vor der Jury. Der „sexy walk“ klappt nicht bei allen. Anna z.B. geht zu steif. „Das strengt mich schon als Zuschauer an“, sagt Co-Juror Wolfgang Joop, woraufhin die GNTM-Kandidatin in Tränen ausbricht. Später steht sie mit Konkurrentin Samantha vor dem Rauswurf. Da hat Anna sich schon selbst entschieden: Sie nimmt den nächsten Flieger nach Hause. Samantha muss ebenfalls gehen. Auch sie war nicht sexy genug. Vielleicht hat sie es nicht richtig gewollt.