Essen. Lange fristete die Kartoffel ein Dasein als Sättigungsbeilage. Nun macht die Knolle dem Burger Konkurrenz: Pommes und Kumpirs erobern das Revier.

Über viele Jahre stand die Kartoffel im Schatten von Schnitzel, Currywurst und Co. Schwamm in unansehnlichen Jägersauce-Seen oder versank in einem Berg aus Fertigmayonnaise. Manch einer verschmähte sie gar aus purer Höflichkeit und überließ sie als Anstandskartoffel gewissenlos dem Schweineeimer. Nun aber scheint ein goldenes Zeitalter für die gleichfarbige Superknolle anzubrechen.

Egal ob Frittenwerk, Kumpir Kumpels, Pommes Pervers, Jacket Fried Potatoes , Erdapfel Bochum, K wie Kartoffel oder der alteingesessene Kartoffel-Lord in Dortmund: Sie alle haben die Kartoffel zum Superfood erkoren, das dem Burger zunehmend Konkurrenz macht. Denn der Deutschen liebstes Nachtschattengewächs hat in Greta-Zeiten einen entscheidenden Vorteil: es ist vegan.

In der Türkei ist der Kumpir seit Langem ein Fast-Food-Klassiker

Daniela Sen von „Jacket Fried Potatoes“, die vor Kurzem in Rüttenscheid eröffnet haben.
Daniela Sen von „Jacket Fried Potatoes“, die vor Kurzem in Rüttenscheid eröffnet haben. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Das jedenfalls ist für Daniela Sen einer der Gründe für den Foodtrend, der vor allem aus Hamburg ins Ruhrgebiet schwappte. Vor einer Woche eröffnete sie die erste Filiale von „Jacket Fried Potatoes“ an der Rüttenscheider Straße in Essen, Ende März geht ein weiterer Laden im Limbecker Platz an den Start. Ob frittiert oder als gefüllte Backkartoffel (der Amerikaner nennt sie Jacket Potatoe, der Türke Kumpir): Es sei die Vielseitigkeit, warum die Kartoffel zurzeit in aller Munde sei, glaubt Daniela Sen: „Mein Mann stammt aus der Türkei. Unter der Bosporus-Brücke in Istanbul habe ich zum ersten Mal Kumpir gegessen, da reiht sich ein Stand an den anderen“, erzählt Sen.

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Beim Kumpir wird das Innere aus der Kartoffel ausgehöhlt und mit Salz, Butter und Käse vermengt – für Veganer reichen Olivenöl und Salz aus. Das grob zerstampfte Püree kommt schließlich wieder in die ausgehöhlte Pelle und kann dann in tausendfachen Varianten getoppt werden: Eine davon wurde im „Jacket Fried Potatoes“ auf den Namen „Lumberjack“ getauft und kommt mit der türkischen Knoblauchwurst Sucuk, Mais, Oliven und Chilis daher.

„Wir brauchen alternatives Fast Food, Pizza und Dönerläden gibt es genug“

Kumpir-Pioniere in Essen waren zweifellos die Kumpir-Kumpels, die ihren Laden an der Friederikenstraße bereits 2018 eröffneten. „Wir haben uns in Hamburg dazu inspirieren lassen, wo der Kumpir weit verbreitet ist“, sagt Mitbegründer Sami Eleuch. „Im Ruhrgebiet gab es das damals noch nicht. Dass nun immer mehr Läden eröffnen, finden wir gut. Wir brauchen alternatives Fast Food, Pizza und Dönerläden gibt es schon genug“, sagt der 31-Jährige.

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Er weiß die Nährwerte auf seiner Seite: So enthält die pure Kartoffel jede Menge Nährstoffe und Vitamine und hat zudem noch weniger Kalorien als beispielsweise Nudeln oder Reis: Und die Knolle kommt auf gerade einmal 69 Kalorien je 100 Gramm. Gleichzeitig ist die Kartoffel ein echter Sattmacher: Wer bei den Kumpir Kumpels einmal den „Herkules“ gegessen hat – eine mit Curry-Cocktailsauce übergossene Backkartoffel mit Pulled Chicken, Oliven, Röst- und roten Zwiebeln sowie Feta-Käse – der wird das bestätigen können.

„Frittenwerk“ eröffnete bundesweit 15. Filiale

Auch in Essen gibt es eine Frittenwerk-Filiale.
Auch in Essen gibt es eine Frittenwerk-Filiale. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Ähnlich im Trend – wenn auch weniger gesund – ist ein Kartoffelklassiker, der sich gerade neu erfindet: Denn neben der Ofenkartoffel übt sich auch die Pommes mit wachsendem Erfolg im Soloauftritt – also ganz ohne Bratwurst oder Schnitzel an der Seite. Die Welt hat sich verkehrt: Denn wenn überhaupt, kommt nun das Fleisch als Beilage daher: gerupft über die Pommes, haben die „Dirty Fries“ oder Poutine einen fast anrüchigen Touch.

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Besonders erfolgreich damit ist das „Frittenwerk“, das sich als „Pommesmanufaktur“ versteht und die Kartoffelstäbchen so auch dem geneigten Hipster schmackhaft gemacht hat. Gegründet 2014 in Düsseldorf, hat das Unternehmen gerade seine bundesweit 15. Filiale eröffnet. Und wie schon beim Burgertrend ziehen auch hier lokale Konzepte nach. So eröffnete im vergangenen Jahr etwa „Pommes Pervers“ im Essener Südviertel.

Dabei ist es mit der Pommes wie mit jedem Foodtrend: Man kann sie nicht neu erfinden. Allerdings deutlich besser machen, wie die vorgenannten Frittenschmieden eindrucksvoll beweisen.

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