Düsseldorf. In NRW gibt es wieder Präsenzunterricht. Schulministerin Yvonne Gebauer freut es: “Die Kinder danken es uns mit einem Strahlen im Gesicht.“
Nach mehreren Monaten mit Distanzlernen und vereinzeltem Wechselunterricht dürfen Hunderttausende Schülerinnen und Schüler an diesem Montag wieder in die Klassenräume zurückkehren: Überall dort, wo die Sieben-Tage-Inzidenz stabil unter 100 liegt, gestattet das Land NRW wieder Präsenzunterricht. Bleiben Kreise und Städte unter 100, so könnten die Schüler dort für die verbleibenden fünf Wochen bis zu den Sommerferien wieder in den Schulen unterrichtet werden.
Wo können die Schulen am Montag wieder öffnen?
Voraussetzung für den Präsenzunterricht in NRW ist, dass die Zahl der wöchentlichen Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner, die Sieben-Tage-Inzidenz, mindestens fünf Tage infolge unter dem Wert von 100 liegt. Maßgeblich ist die Inzidenz vor Ort in kreisfreien Städten und Landkreisen. Stand Sonntag war das in 51 der 53 Kommunen in NRW der Fall. Zwei Kommunen lagen noch nicht "stabil" mindestens fünf Tage lang unter 100: Hagen und Remscheid.
Sind fünf Tage unter 100 erreicht, greift die Lockerung wie auch in anderen Lebensbereichen – Stichwort Ausgangssperre und Gastro-Öffnungen zum Beispiel – am übernächsten Tag. Die Regel, dass Änderungen im Schulbetrieb immer nur zum Wochenbeginn greifen, sei nun nicht mehr nötig, teilte das Schulministerium mit. In Bielefeld, Köln und dem Kreis Mettmann war der Grenzwert erst am Samstag stabil erreicht, sodass der Start des Präsenzunterrichts dort erst kurzfristig feststand.
Welche Schulformen kehren zum Präsenzunterricht zurück?
Alle, also Grund- und Förderschulen ebenso wie die weiterführenden Schulen und Berufskollegs. Das Schulministerium schränkt ein: Insbesondere in weiterführenden Schulen stünden in den Wochen vor den Sommerferien noch mehrere Prüfungen an, die durch die Hygieneauflagen mit hohem personellen Aufwand verbunden sind. Deshalb "ist es (...) an einzelnen Tagen mit Prüfungsgeschehen vertretbar, dass für bestimmte Klassen und Jahrgangsstufen der Präsenzunterricht nicht in vollem Umfang erteilt wird". Schulleitungen sollten Einschränkungen gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Eltern transparent darlegen.
Welche Regeln gelten in der Schule?
Die bekannten, strengen Hygieneregeln und Testvorgaben gelten weiter. Das Schulministerium teilt mit:
- Im Präsenzunterricht in Klassen- oder Kursstärke ist das Tragen einer medizinischen Maske auch am Sitzplatz im Unterricht weiterhin verpflichtend.
- Schülerinnen und Schüler sowie alle an der Schule Beschäftigten müssen sich weiter zweimal pro Woche einem Antigen-Schnelltest unterziehen. In Grundschulen, Förderschulen und einem Teil der Schulen mit Primarstufe werden weiter die Lolli-Tests angewandt.
Gibt es neue Regeln?
Wie Mathias Richter, Staatssekretär im NRW-Schulministerium in seiner Schulmail vom Donnerstag mitteilte, sind die Schulen ab Montag verpflichtet, Schülerinnen und Schülern auf Wunsch eine Bescheinigung über den erfolgten Coronatest auszustellen. Auch dabei sei zwischen den Selbsttests und Lolli-Tests (PCR-Tests) zu unterscheiden:
- Beim Corona-Selbsttest stehe wenige Minuten nach der Probenentnahme das Testergebnis fest und könne sofort bescheinigt werden. Dafür stehe den Schulen das Muster einer Bescheinigung zur Verfügung. Die Schulen sollen Namen der Schule, Datum und Schulstempel bereits vorab in das Formular eintragen, schlägt das Ministerium vor. "Die Schülerinnen und Schüler setzen ihren Namen, das Datum des Tests und die Zeit selbst ein, so dass die Lehrerin oder der Lehrer nur noch unterschreiben muss."
- Bei einem PCR-Test – wie den Lolli-Pooltests – stehe das Testergebnis regelmäßig erst am nächsten Tag fest. "Die Bescheinigungen können somit erst dann und mit dem Datum dieses Tages ausgegeben werden", teilt Richter in der Schulmail mit. "Dieser Tag gilt als der Zeitpunkt der Testvornahme." Ansonsten gelte aber dasselbe Verfahren für das Ausstellen der Bescheinigung wie bei den Schnelltests.
Was sagt die Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP)
NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hat die Rückkehr zum Präsenzunterricht in den Schulen von diesem Montag an gelobt: „Das ist die richtige Entscheidung gewesen“, erklärte sie. „Wir nutzen die letzten Wochen vor den Sommerferien, um den Schülerinnen und Schülern ein wichtiges Stück Normalität zurückzugeben und die Kinder danken es uns mit einem Strahlen im Gesicht.“
Der Wechsel- und Distanzunterricht in den vergangenen Monaten sei wegen der Pandemie notwendig gewesen, habe aber auch „eine Zeit der Entbehrung und Belastung insbesondere für die Kleinsten“ gebracht, erklärte die Ministerin.
Was sagen Lehrerinnen und Lehrer dazu?
Der Verband "Lehrer NRW", der vor allem Beschäftigte an den Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen vertritt, sieht die Schulen "als Test-Dienstleister instrumentalisiert", dies sei "unverantwortlich". Der Verbandsvorsitzende Sven Christoffer fürchtet einen enormen Verwaltungsaufwand: "Mit dieser Anordnung werden die Schulen in NRW de facto zu Testzentren umfunktioniert, denn laut der Schulmail können die getesteten Personen die Bescheinigungen auch außerhalb der Schule nutzen, ohne gesonderte Termine in Testzentren wahrnehmen zu müssen." Jetzt müsse der Bildungsauftrag der Schulen Priorität haben, so Christoffer. Es sei "ein Schlag ins Gesicht für Schulen und Lehrkräfte", dass eine so weitreichende Regelung "derart kurzfristig und über die Personalräte hinweg durchgedrückt wird".
Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in NRW wünscht sich für die letzten Wochen vor den Sommerferien "ein wenig mehr Ruhe im Schulalltag". Stefan Behlau, VBE-Landesvorsitzender, fordert, dass "sich die Kolleginnen und Kollegen in den verbleibenden Restwochen des Schuljahres einzig und allein auf die wichtige Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern konzentrieren können". Seine Bitte in Richtung Schulministerium: "Keine weiteren Schnellschüsse und voreiligen Entscheidungen und vor allem ausreichend Unterstützung durch Schulträger und Land bei den administrativen Herausforderungen, wie zum Beispiel den Testungen.“
Auf Kritik stößt die Vorgabe, nach der Schulen auf Wunsch Lehrern und Schülern Bescheinigungen über die Tests ausstellen sollen. Zusätzliche Aufgaben erforderten zusätzliche Ressourcen, kritisierte der Verband Bildung und Erziehung NRW (VBE).
Wie blicken Schülerinnen, Schüler und Eltern auf den Start des Präsenzunterrichts?
Bei vielen Schülern herrsche Vorfreude auf die Rückkehr in die Schulen, sagt Landesschülervertreter Timon Nikolaou. „Einige haben aber auch ein mulmiges Gefühl, weil es in voller Klassenstärke zurückgeht.“ Er erinnert daran, dass die psychischen Belastungen für Kinder und Jugendliche in der Pandemie groß seien. In den Schulen dürfe es deshalb nun nicht um Leistungsbewertungen gehen. „Im Fokus muss die seelische Gesundheit stehen.“
Auch Elternvertreter appellieren an Lehrkräfte, auf Leistungsabfragen zum Schulstart zu verzichten. „Wir brauchen jetzt nicht einen Wissenstest nach dem anderen an den Schulen“, sagt Anke Staar von der Landeselternkonferenz NRW. „Die Schüler werden Zeit brauchen, sich wieder einzufinden.“ Es brauche Förderangebote, um auch soziale Kompetenzen wieder zu stärken. Derweil diskutieren Eltern aber intensiv darüber, wie verlorene Unterrichtszeit wieder aufgeholt werden kann. Die Landeselternschaft der Gymnasien in NRW plant dazu eine Umfrage. „Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, im nächsten Jahr Schulstunden dranzuhängen“, sagt der Vorsitzende Oliver Ziehms. „Aber wollen wir Eltern das wirklich?“ (mit dpa)