Essen. Die Zeit, in der jungen Menschen viele Chancen am Arbeitsmarkt offenstanden, ist seit Corona vorbei. Vier erzählen, wie sie die Krise erleben.

Junge Berufseinsteiger haben lange vom Wirtschaftsaufschwung profitiert. Arbeitgeber haben sie vielfach umgarnt, sie haben ihre Arbeitszeiten selbstbewusst verhandelt und konnten sich die Freiheit nehmen, vor dem ersten Beruf erst einmal die Welt zu erkunden. Die Aussichten waren gut und die Babyboomer-Generation dünnt auf dem Arbeitsmarkt aus, so dass neue Stellen frei werden. Doch dann kam Corona.

Plötzlich ohne Ausbildungsplatz

Für Henrik Nordhoff war es ein Schock, als er erfuhr, dass seine Ausbildung abgesagt wurde. „Alles stand plötzlich in Frage“, sagt der 19-Jährige. Schon seit Kindertagen interessiert er sich für Landmaschinen und will deshalb Industriemechaniker werden. Doch nach einem vielversprechenden Praktikum bei einem Stahlunternehmen kam die Absage: Wegen der Corona-Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen wollte ihn das Unternehmen nicht mehr ausbilden. „Dabei habe ich kurz vorher noch die Zusage dafür bekommen“, sagt Nordhoff. Auch seine Eltern seien ziemlich perplex gewesen: „Wir wussten ja alle nicht, wie es weitergeht.“

Henrik Nordhoff
Henrik Nordhoff © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Nordhoff ist auf einem Bauernhof aufgewachsen, wo Bagger, Mähdrescher und Traktoren Alltag waren. Als Jugendlicher hat er ein Gewerbe angemeldet und kleinere Reparaturen an Maschinen gemacht. „Ich habe schon immer gern getüftelt“, sagt er. Ihn fasziniere die Größe und Kraft der Maschinen und was sie bewältigen können.

Und so ließ er sich auch von der coronabedingten Absage nicht davon abhalten, für seinen Berufswunsch zu kämpfen. Er wartete nicht lange, schrieb wieder Bewerbungen und nahm neue Praktika in Kauf. Mit Erfolg: In Dülmen sitzt sein neuer Arbeitgeber, wo er im August seine Ausbildung beginnt. „Das liegt zwar etwa 60 Kilometer von meiner Heimat entfernt, aber ich habe angenommen“, sagt er und lacht.

Auf Jobsuche in Zeiten der Pandemie

Selbst eine abgeschlossene Ausbildung garantiert in Zeiten der Corona-Pandemie keine gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Davon kann Raphael Becher berichten. Der 26-jährige Bürokaufmann aus Oberhausen hat kurz vor Beginn der Corona-Krise seinen Job verloren. Einen neuen zu finden, stelle sich als zunehmend schwierig heraus, so Becher. Die Corona-Folgen haben viele Firmen hart getroffen. „Durch die Krise haben sie den Bewerbungsprozess gestoppt“, sagt Becher. Er werde von einigen Unternehmen wochenlang hingehalten. 20 Bewerbungen habe er mindestens abgeschickt, ohne Erfolg.

Raphael Becher
Raphael Becher © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Er sucht eine Anstellung in einem gefragten Bereich. Etwas, wo er viel mit Excel und großen Datenmengen zu tun habe, das wünsche er sich, sagt Becher. „Ich mag es, mit vielen Zahlen zu hantieren, sie zu ordnen. Man kann so viel damit machen.“ Er will im Ruhrgebiet bleiben - was früher kein großes Problem gewesen wäre, stellt sich jetzt als Hindernis heraus. „Ich schätze, dass mir nichts anderes übrig bleibt als umzuziehen. Ich kann einfach nur hoffen.“ So wie es jetzt ist, beängstige ihn die Lage. Um sich von anderen Bewerbern abzusetzen, hat er sich ein Spanisch-Lehrbuch gekauft. „Viele Chefs verlangen, dass man eine zweite Fremdsprache gut kann“, meint Becher.

Das Auslandsstudium bringt das Virus nach Hause

Für Janina Düttmann hat Corona einen Traum zerstört. Sie hatte sich ein besonderes französisches Flair vorgestellt, als sie die Zusage zur Modeschule Esmod in Paris in den Händen hielt. Die Ausbildung würde hart werden, das war ihr klar, aber am Ende sollte sie die 23-Jährige aus Meerbusch einen Schritt weiter an ihr Ziel bringen, Modedesignerin zu werden. Zwei Jahre in Frankreich: „Ich habe mich wahnsinnig gefreut.“

Stattdessen sitzt Düttmann inzwischen wieder am heimischen Schreibtisch im Haus der Eltern. Wegen der Corona-Pandemie wurden die Hochschulen in Frankreich von heute auf morgen für den Präsenzunterricht geschlossen. Düttmann packte ihre Taschen, um nach Hause zu fahren - nur um in Meerbusch festzustellen, dass sie sich noch in Paris mit dem Virus angesteckt hatte. „Ich hatte einen Tag Fieber und habe mich zwei Wochen müde gefühlt“, erinnert sie sich. Bis heute rieche sie nur wenig. „Die ganze Sache war schon sehr nervig.“ Auch ihre beiden Geschwister und die Eltern infizierten sich bei der jungen Frau.

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Ihre Ausbildung sollte online zwar weitergehen – „die Schule hat das extrem gut hinbekommen“ - doch trotzdem freut sich Düttmann, wenn es nach der unfreiwilligen Pause nach den Ferien zurück nach Paris gehen kann. Das nächste Semester startet im September. „Stand jetzt ist, dass die Kurse wieder an der Uni sind“, sagt sie und ist zufrieden.

Länger studieren wegen Corona

Der Moment, in dem Alexander Adeshina klar wurde, dass Corona seinen Studienplan umwirft, war, als ihm ein Automobilzulieferer in Bayern sein Praktikum absagte. Der 24-Jährige erhielt eine knappe Nachricht: Wegen Covid-19 vergebe der Betrieb bis September keine Praktikumsstellen, es tue ihnen leid.

Das Problem: Um sein Wirtschaftsingenieur-Studium an der Uni Duisburg-Essen abzuschließen, muss Adeshina ein zwölfwöchiges Praktikum absolvieren. „Ich habe dann etwa 20 Bewerbungen geschrieben“, erzählt er. Selbst die Absagen kämen spät, Firmen hätten sich immer erst spät bei ihm gemeldet, meint Adeshina. „Oft sagte man mir, bis auf Weiteres seien erstmal gar keine Praktika mehr möglich.“

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Im schlimmsten Fall muss er länger studieren – und ein Jahr später als geplant einen Job finden. „Ich hoffe, dass die Uni jetzt die Studienordnung ändert: Dass wir kein Praktikum brauchen, um das Studium zu beenden.“ Eindeutig geklärt sei das noch nicht, und das nerve: „Die Unsicherheit stresst.“ Um schneller ein Praktikum zu erhalten, ist er dazu übergegangen, seine Unterlagen nicht mehr an die Personalabteilung zu schicken, sondern direkt an die Abteilungsleiter. „Ich hoffe, dass die dann schneller reagieren.“