München. Tag fünf im NSU-Prozess: Alle warten mit Spannung auf die Aussage des ersten Angeklagten. Aber erst einmal geht es mit juristischen Hakeleien weiter. Das Gericht lehnt eine Serie von Anträgen ab - doch die Verteidigung schiebt neue nach. Sie fordert die Einstellung des Verfahrens wegen Vorverurteilung.

Nach der zweiwöchigen Unterbrechung ist der NSU-Prozess am Oberlandesgericht München am Dienstag fortgesetzt worden - und wieder wurden zunächst Anträge verlesen. Die Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe fordern eine Einstellung des Verfahrens wegen angeblicher Vorverurteilung ihrer Mandantin. Verteidigerin Anja Sturm wies darauf hin, dass Zschäpe wiederholt von Politikern und Angehörigen staatlicher Organe als Angehörige eines „Terrortrios“ und „Mitglied einer Mörderbande“ bezeichnet worden sei. Dabei sei nicht deutlich gemacht worden, dass es sich um einen Tatverdacht handle.

Auch in den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen habe es eine deutliche Vorverurteilung der Angeklagten gegeben. „Was in der Hauptverhandlung erst aufgeklärt und bewiesen werden müssen, so Sturm, werde in den Untersuchungsausschüssen schon als Tatsache vorausgesetzt.

Carsten S. soll am Nachmittag verhört werden

Darin liege ein nicht mehr zu heilendes Verfahrenshindernis, weil die Zeugen durch das meinungsbildende Klima in ihrem Aussageverhalten beeinflusst seien. Sie könnten, so die Zschäpe-Verteidigerin, nicht mehr entscheiden, ob sie auf eigenes Wissen oder auf Gelesenes zurückgreifen. Zudem laste auf den Behörden ein hoher Erwartungsdruck, etwas zur Verurteilung der Angeklagten beizutragen. „Eine ordnungsgemäße Beweisaufnahme ist nicht mehr möglich.“

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Die Bundesanwaltschaft wird sich nach der Mittagspause zu dem Antrag der Verteidigung äußern. Die beiden Mitangeklagten Carsten S. und Holger G. bekräftigten erneut, ihre Aussage machen zu wollen. Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben sowie der ebenfalls angeklagte André E. wollen sich nach wie vor nicht äußern.

Zu Beginn des Prozesstages hatte der Vorsitzende Richter sämtliche vor den Pfingstferien gestellten Anträge der Verteidiger abgelehnt. Dazu gehörte der Antrag der Wohlleben-Verteidigerin Nicole Schneiders, das Verfahren gegen ihren Mandanten aufgrund der medialen Vorverurteilung sowie wegen unvollständiger Aktenlage einzustellen. Auch den Antrag der Zschäpe-Verteidigung, die Staatsanwälte abzulösen lehnte das Gericht ab, ebenso wie den Antrag, Akten verschiedener Staatsanwaltschaften aus älteren Verfahren hinzuzuziehen.