Düsseldorf. Kurz nachdem die ersten Prognosen für das Wahlergebnis bekanntgegeben wurden, hat CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen die Verantwortung übernommen und den Rücktritt vom Posten als Landeschef verkündet. Hinter den Kulissen hat da der Machtkampf um seine Nachfolge längst begonnen.
Aus. Vorbei. Nach der krachenden Niederlage schmeißt Norbert Röttgen den CDU-Landesvorsitz frustriert hin. Der brutal abgeschmierte Berliner Minister übernimmt die persönliche Verantwortung für das Wahldesaster der CDU. Da hat der Machtkampf um Röttgens Erbe hinter den Türen längst begonnen. Erste Namen fallen: Armin Laschet und Karl-Josef Laumann. Der CDU-Landesvorstand soll schon am Montag Klarheit schaffen: Laumann zögert noch, Laschet steht bereit. Landes- und Fraktionsvorsitz sollen in eine Hand.
Für Röttgen ist der Absturz in NRW ein Desaster. „Die Kanzlerträume sind ausgeträumt“, rechnet ein Parteifreund mit einem dröhnenden Berliner Nachbeben. Röttgen will Merkels Umweltminister bleiben. Aber er ist politisch geschwächt. „Das ist allein seine Niederlage“, kübelt CDU-Vorstand Hartmut Schauerte. Einer redet von der „Blüm-Falle“, in die die Landespartei mit Röttgen zum zweiten Mal gelaufen sei. „Man kann NRW eben nicht nebenbei aus Berlin gewinnen.“
Untergangsstimmung im CDU-Wahlzelt
Im CDU-Wahlzelt herrscht Untergangsstimmung wie auf der Titanic. Als am Nachmittag die ersten Prognosen bei der CDU-Führungscrew einlaufen, wird das befürchtete Alptraumszenario wahr. Infratest sieht die Union bei unterirdischen 26 Prozent – fast 20 Prozent weniger als bei der NRW-Wahl 2005. Die CDU serviert passend zur politischen Beerdigung Schlachtplatte.
Die letzten Wochen waren für Norbert Röttgen ein persönliches Desaster.
Der Wahlkampf verpatzt, medialer Gegenwind, keine Wechselstimmung und dann im Endspurt Knatsch mit Kanzlerin Angela Merkel. Röttgens Wahlkampfziel, die populäre „Schuldenkönigin“ Hannelore Kraft aus dem Amt zu jagen, wurde zur „Mission Impossible“. Der Griff nach dem Amt des Ministerpräsidenten blieb eine Fata Morgana. Röttgen wurde zum „Kandidat Chancenlos“ erklärt.
Röttgen hat nicht viele Freunde in der Union
Auf den Fluren im Landtag wird der Chaos-Wahlkampf des Kandidaten zerlegt. Es bestätigt sich, dass Röttgen nicht viele Freunde hat in der Union. Ein Neuanfang steht an. Wieder einmal. Laumann fleht die Partei förmlich an, in der schwärzesten Stunde zusammen zu halten. Der Berliner Staatssekretär Peter Hintze bemüht sich, die Bundespolitik gegen den „NRW-Virus“ zu immunisieren. Die Botschaft: Die Landespartei hat verloren, sonst keiner. Handwerkspräsident Wolfgang Schulhoff sieht in Röttgens „Lavieren zwischen Berlin und Düsseldorf einen Riesenfehler“.
Norbert Röttgen, der mit Gattin Ebba den Medien-Marathon im Landtag absolviert, hat die Niederlage „richtig weh getan“. Ein bitterer Tag. Auch für viele Landtagskandidaten, die ihre Direktwahlkreise verloren haben. Da staut sich Wut und Empörung auf. „Wir zahlen die Zeche für Röttgens Ego-Trip“, leckt ein junger Christdemokrat seine Wunden. CDU-Generalsekretär Oliver Wittke, der den Wahlkampf mitverantwortet, blickt nach vorn. Die CDU muss die Weichen stellen für die nächste Landtagswahl 2017. In spätestens vier Wochen soll ein Landesparteitag Röttgens Nachfolger wählen. Laschet will einen „mörderischen Kampf“ um den CDU-Vorsitz vermeiden. Das geht nur, wenn Laumann verzichtet. Der drängt auf eine „faire, solidarische Lösung“.
„Als Minister mit Rückfahrkarte hat er die Wahl versaut“
Für Röttgen endet die kurze Episode in der Landespolitik. „ich habe für meine Themen und meine Überzeugungen gekämpft, aber eine eindeutige Niederlage kassiert“, räumt der Wahlverlierer ein. Zurück bleibt eine Partei im Delirium. „Ich bin zutiefst enttäuscht“, klagt Hartmut Schauerte. Röttgen habe versprochen, mit Haut und Haaren in NRW anzutreten. „Als Minister mit Rückfahrkarte hat er die Wahl versaut.“
Der 46-jährige Umweltminister mit der runden Intellektuellen-Brille leistete sich nach einer ersten internen Analyse gleich drei Fehler: Da war das fehlende Bekenntnis, auch als Oppositionsführer nach NRW zu kommen. Zweitens die halbherzige Strategie: Zwar war das Sparen Röttgens großes Wahlkampfthema. Der Kandidat scheute aber konkrete Sparvorschläge und hielt am Verzicht auf Studiengebühren und Elternbeiträge im letzten Kita-Jahr fest. Und zuletzt der dritte Patzer, als er die NRW-Wahl ohne Abstimmung mit der Kanzlerin zur Schicksalswahl über den Euro-Kurs Angela Merkels machen wollte. „Unter 30 Prozent war Röttgen nicht zu halten“, weiß CDU-Bezirkschef Klaus Kaiser. Das war am Wahlabend auch dem gescheiterten Kandidaten schnell klar.