Essen. Es war ein Turbo-Wahlkampf: In nur zwei Monaten mussten die Parteien in Nordrhein-Westfalen den Wählern vermitteln, warum sie ihr Kreuzchen genau bei dieser oder jener Partei machen sollten. Der Wahlkampf galt insgesamt als inhaltsleer. Für die WAZ-Mediengruppe beantworten die sechs Spitzenkandidaten der größten Parteien sechs Fragen - teils politisch, teils ganz privat.

Rund 13,2 Millionen Wahlberechtigte sind am Sonntag in Nordrhein-Westfalen zur vorgezogenen Neuwahl des Landtags aufgerufen. Umfragen zufolge können SPD und Grüne auf eine stabile Mehrheit hoffen. Allerdings könnte ein gutes Wahlergebnis der Piratenpartei und ein Wiedereinzug der FDP ins Landesparlament den derzeitigen Vorsprung von Rot-Grün noch schmelzen lassen. Die Linke kämpft ebenfalls um die Rückkehr in den Landtag, liegt aber in den Umfragen seit Wochen unter fünf Prozent.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihre Stellvertreterin Sylvia Löhrmann treten an zur Titelverteidigung und mit Norbert Röttgen und Christian Lindner hat sich auch Berliner Politprominenz in den Wahlkampf eingeschaltet. Im Endspurt beantworten die sechs Spitzenkandidaten der größten Parteien sechs Fragen - teils politisch, teils ganz privat:

Welches politische Projekt sollte schnell umgesetzt werden? 

Hannelore Kraft (SPD): Kein Kind zurücklassen – das ist das Projekt, das mir besonders am Herzen liegt. Durch frühe und gezielte Hilfen für Familien, beste Bildung und ein Netzwerk vorbeugender Unterstützung wollen wir dafür sorgen, dass alle Kinder und Jugendlichen alle Chancen bekommen.

Norbert Röttgen (CDU): Die Beendigung der rot-grünen Schuldenpolitik. Als Ministerpräsident werde ich zügig einen soliden Haushalt vorlegen.

Sylvia Löhrmann (Grüne): Der Klimaschutz: Deshalb muss die Energiewende beschleunigt werden. Wir müssen weg von fossilen Energieträgern hin zu Erneuerbaren, Effizienz und Einsparung; weg von ineffizienten Großkraftwerken hin zu kleinen Kraftwerken, die Strom und Wärme gleichzeitig produzieren.

Christian Lindner (FDP): Die Schuldenfreiheit der Staatshaushalte. Im Bund kann das bereits 2014 gelingen, in Bayern beginnt Schwarz-Gelb sogar mit der Tilgung von Altschulden. Auch in Nordrhein-Westfalen darf die Politik nicht schneller neue Staatsaufgaben erfinden, als wir Wohlstand erwirtschaften können.

Katharina Schwabedissen (Die Linke): Eine Umverteilung von Reichtum von Oben nach Unten. Denn wir brauchen Mobilität für alle Menschen. Wir brauchen gute Kitas für Kinder, Eltern und ErzieherInnen. Wir brauchen höhere Löhne, damit Menschen von ihrer Arbeit leben können. Um das zu finanzieren, brauchen wir eine Millionärsteuer.

Joachim Paul (Piraten): Entlastung der Lehrkräfte von Verwaltungsaufgaben in den nordrheinwestfälischen Schulen.

Auf welche Leistung sind Sie besonders stolz? 

Hannelore Kraft (SPD): Privat: auf unseren Sohn Jan. Politisch: In den 20 Monaten der rot-grünen Minderheitsregierung haben wir gehalten, was wir versprochen haben: Studiengebühren und Elternbeiträge für das letzte Kita-Jahr abgeschafft, Schulkonsens erreicht, Mitbestimmung gestärkt und notleidende Kommunen unterstützt.

Norbert Röttgen (CDU): Auf den Schulkonsens, den die CDU aus der Opposition heraus initiiert hat. Wir haben damit für mindestens 12 Jahre einen Schulfrieden in Nordrhein-Westfalen erreicht, die Einheitsschule verhindert und ein vielfältiges Schulangebot vor Ort gesichert und in der Landesverfassung verankert.

Sylvia Löhrmann (Grüne): Besonders stolz bin ich darauf, dass Grüne, SPD und CDU mit meiner Mitwirkung den Streit um die Schulstruktur beendet haben. Nun können Schulen des längeren gemeinsamen Lernens von unten wachsen. Das Schulsystem wird dadurch leistungsstärker und sozial gerechter.

Christian Lindner (FDP): Auf unsere Mithilfe beim Kinderbildungsgesetz und beim Hochschulfreiheitsgesetz. Beides hat die Qualität der Bildung in NRW deutlich verbessert.

Katharina Schwabedissen (Die Linke): Dass ich es geschafft habe, meine Söhne, Beruf und Politik unter einen Hut zu bringen und dabei ein lebensbejahender Mensch zu bleiben. Und dass es in den Parlamenten die Linke gibt, die sagt: Die Armut der Vielen ist Grundlage des Reichtums der Wenigen – und wir werden das ändern!

Joachim Paul (Piraten): Die flächendeckende Bereitstellung von digitalen Lernmaterialien über den Mediendienst EDMOND NRW für alle allgemeinen und berufsbildenden Schulen in NRW.

Nennen Sie uns eine Lebensweisheit? 

Hannelore Kraft (SPD): Große Werke werden weniger durch starke Worte, sondern durch Beharrlichkeit vollbracht.

Norbert Röttgen (CDU): Ich habe keine Lebensweisheit. Für meine politische Arbeit gilt das Leitmotiv: „Politik aus den Augen unserer Kinder."

Sylvia Löhrmann (Grüne): „Es gibt nichts Mächtigeres als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Victor Hugo

Christian Lindner (FDP): Wer nicht kämpft, hat schon verloren.

Katharina Schwabedissen (Die Linke): „Menschen machen ihre Geschichte nicht aus freien Stücken, aber sie machen sie selbst!“ oder kurz: Es gibt nicht Gutes, außer wir tun es!

Joachim Paul (Piraten): Die Probleme von morgen können nicht mit dem Denken bewältigt werden, das zu diesen Problemen geführt hat.

Was ertragen Sie nur mit Humor? 

Hannelore Kraft (SPD): Arroganz und Überheblichkeit.

Norbert Röttgen (CDU): Fragebögen ausfüllen.

Sylvia Löhrmann (Grüne): 100-Stunden-Wochen und einen Wahlkampf, in dem in sechs Wochen all das geschehen muss, für was man sich sonst ein Jahr Zeit nimmt.

Christian Lindner (FDP): Schlechte Witze.

Katharina Schwabedissen (Die Linke): Podiumsdiskussionen mit den Spitzen der anderen Parteien.

Joachim Paul (Piraten): Den aktuellen Zustand unserer Demokratie.

Was würden Sie in der Politik nicht verzeihen? 

Hannelore Kraft (SPD): Lügen und Verrat.

Norbert Röttgen (CDU): Unehrlichkeit – das gilt übrigens auch außerhalb der Politik.

Sylvia Löhrmann (Grüne): Bösartige Täuschung ist für mich schwer verdaulich und deshalb auch nur schwer verzeihbar.

Christian Lindner (FDP): Nicht aus Fehlern zu lernen. Oder wider besseren Wissens teure Versprechungen zu machen.

Katharina Schwabedissen (Die Linke): Lügen und Ungerechtigkeit.

Joachim Paul (Piraten): Wenn bei wichtigen Projekten die Bürgerinnen und Bürger nicht gefragt werden.

Welche Koalition wünschen Sie sich am 13. Mai in NRW? 

Hannelore Kraft (SPD): Eine stabile Mehrheit für Rot-Grün mit einer starken SPD.

Norbert Röttgen (CDU): Diese Frage beantworte ich, wenn am Wahlabend das Ergebnis feststeht. Bis dahin kämpfe ich mit vollem Einsatz dafür, dass die CDU möglichst stark wird, damit wir im besten Fall mehrere Koalitionsoptionen haben und ich meine Partei als Ministerpräsident wieder in die Regierung führen kann.

Sylvia Löhrmann (Grüne): Ganz klar: Eine Koalition aus Grünen und SPD. Wer das will, muss am 13. Mai mit der Zweitstimme Grün wählen.

Christian Lindner (FDP): Nordrhein-Westfalen braucht eine Koalition, die Schuldenfreiheit, faire Chancen für das Gymnasium und eine vernünftige Industriepolitik in ihr Zentrum stellt.

Katharina Schwabedissen (Die Linke): Egal welche Koalition die anderen Parteien basteln: Ihr gemeinsames Ziel ist, die Linke los zu werden, damit sie ungestört kürzen können. Denn eine solche Politik bekämpfen nur wir. Die Linke ist bereit, Oppositionsverantwortung zu übernehmen. Dafür brauchen wir am 13. Mai jede Stimme.

Joachim Paul (Piraten): Wir nehmen was kommt.