Berlin. . Mindestlohn, Betreuungsgeld, Datenspeicherung und der Fiskalpakt: Nach der Wahl will Schwarz-Gelb den Reformstau auflösen. Die wichtigsten und umstrittensten Pläne sollen dann angegangen werden. Ein Überblick.
Während der Bundestag über den Nato-Gipfel diskutiert, rückt Ursula von der Leyen Stuhl um Stuhl auf, schlussendlich hat sie sich an Vize-Kanzler Philipp Rösler herangerobbt. Die CDU-Arbeitsministerin und der FDP-Chef haben gute Gründe, die Köpfe zusammenzustecken. Die CDU will austesten, was mit den Liberalen beim Mindestlohn geht. Der Zeitpunkt dafür scheint günstig. Nach der NRW-Wahl wird die Politik in Bewegung kommen. Mit neuer Fließrichtung?
Vorratsdatenspeicherung
„Wo sind die Taten?“, ruft SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier im Bundestag aus. Schon nächste Woche wird er erhört. Dann wollen die Fraktionschefs von Union und FDP mit der Opposition über die Euro-Krise reden, über Fiskalpakt und ESM.
Eine Woche später will sich Kanzlerin Angela Merkel in die Gespräche einschalten. Sie braucht die Opposition. Avancen erwartet die SPD ebenso im Bundesrat. Wenn sie die Steuern senken will, müsste sich die Regierung einige Länder „kaufen“. „Wir werden im September oder Oktober im Bundesrat ein großes Paket schnüren, zu dem eine Länder-Mehrheit nicht Nein sagen kann“, verrät ein Merkel-Vertrauter. Zaungast ist die Opposition bei einem ganz anderen Dauerkonflikt: der Vorratsdatenspeicherung. Da befürchtet die Union, dass die FDP-Justizministerin auch nach dem 13. Mai keine Zugeständnisse machen wird.
Mindestlohn
Mehr Zuversicht hat die Union beim Mindestlohn. In Regierungskreisen heißt es, spätestens für Juni werde ein Koalitionsgipfel terminiert. Und dafür habe Merkel den Mindestlohn auf die Tagesordnung gesetzt. Bislang lehnt die FDP den Vorschlag der Union ab, eine Kommission Lohnuntergrenzen für alle Branchen ohne Tarifverträge aushandeln zu lassen und diese per Rechtsverordnung für verbindlich zu erklären. „Die Union kann ihre Programmatik ändern wie sie will, aber Auswirkungen auf das Regierungshandeln hat das nicht“, sagt FDP-Generalsekretär Patrick Döring.
Das Unions-Modell findet auch Befürworter in der FDP. Ihr Arbeitsmarktexperte Pascal Kober hat sich für eine ähnliche Idee stark gemacht. Teile der Südwest-FDP stehen dahinter, ebenso die Liberalen in Schleswig-Holstein.
Betreuungsgeld
Keinen Zeitverlust duldet das vielleicht größte Reizprojekt: Es ist mehr als ein Gerücht, dass Familienministerin Kristina Schröder (CDU) längst einen fertigen Gesetzentwurf für das Betreuungsgeld hat. Aber Merkel hat vor der Wahl kein Interesse an einer offenen Schlacht um die „Herdprämie“. Diese Strategie schadet mittlerweile vor allem der Jungministerin. „Kristina“, wie Merkel sie nennt, muss den Vorwurf ertragen, sie bekomme kein Gesetz hin. Die Opposition findet das prima: „Bleiben Sie sich treu, tun Sie nichts“, ätzte SPD-Fraktionsvize Dagmar Ziegler am Donnerstag im Bundestag.
Auf den 13. Mai starrt erst recht Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer. Danach solle es, bitte, schnell gehen. Die Initiative müsse „noch im Mai“ kommen. Die CSU ist genervt. Die Bayernwahl 2013 steht ins Haus, Düsseldorf ist weit weg. „Es ist eine Minute vor Zwölf“, mahnt Dorothee Bär, Vize-Generalsekretärin und familienpolitische Sprecherin.
Eine Minute nach Zwölf ist es bei den Linken. Ihr Führungsstreit findet kein Ende. Am Sonntag droht der Rauswurf aus dem NRW-Landtag.
Fiskalpakt
Alles Neue macht der Mai, heißt es bei der SPD dann, wenn der Sonntag an Rhein und Ruhr eine Zitterpartie wird wie die Wahl in Schleswig-Holstein. Irritiert sind viele in der SPD über den Befund der Demoskopen: Die Wähler wüssten nicht, wofür die Partei stehe. Eine Kostprobe der vermissten klaren Kante lieferte die SPD gestern: Sie lehnte den „Atalanta“-Anti-Piraten Einsatz in Somalia ab. Es war mehr als eine Sachentscheidung. Die Sehnsucht nach „klarer Kante“ gegen die Regierung wächst in der SPD, nächste Auseinandersetzung könnte die Position zum Fiskalpakt sein.
SPD-Linke drängen bereits darauf, dass sich der kleine SPD-Parteitag am 16. Juni mit der Haltung der SPD zum Fiskalpakt beschäftigt. „Das wird sicher ein Thema“, sagte Juso-Chef Sascha Vogt unserer Zeitung. Von Merkel verlangt die SPD eine Finanztransaktionssteuer. Sonst stimmt die SPD nicht zu. Nach dem 13. Mai kommt es zum Schwur.