Düsseldorf. . Der 54-Jährige führt die aufstrebende Partei auf seine eigene Art durch den Wahlkampf. Der promovierte Biophysiker und Medienpädagoge ist überraschend zum Spitzenkandidaten der Piraten gewählt worden. Er kam über seinen Sohn zu den Piraten.
Die Wahl von Joachim Paul zum Spitzenkandidaten der Piraten war genauso überraschend, wie sie einer ureigenen Piraten-Logik folgte. Eigentlich galt der 33-jährige Landesvorsitzende Michele Marsching als Favorit. Er führt die NRW-Piraten bereits seit Februar 2011 und passt als Softwareentwickler genau in das Klischee der Internetpartei. Doch am Ende kam alles anders: Statt des dynamischen IT-Experten wurde mit Paul ein 54 Jahre alter promovierter Biophysiker und Medienpädagoge gewählt.
Während sich Marsching im Vorfeld des Landesparteitages ins Abseits geschossen hatte, indem er Sympathien für eine Diätenerhöhung bekundete, hält sich Paul bei diesem heiklen Thema lieber zurück und befragt erst die Basis dazu. Damit verkörpert er die Philosophie seiner Partei: Die Politik macht die Basis. Die Weisheit der Vielen ist wichtiger als die Einschätzung des Einzelnen.
Über seinen Sohn kam er zu den Piraten
Zu den Piraten kam Paul über seinen Sohn. Der Computer-Nerd hatte ihn vor drei Jahren zum Stammtisch der Neusser Piraten mitgenommen. Dort spürte Paul eine gewisse Seelenverwandtschaft. „Eigentlich war ich schon immer ein Pirat“, sagt er. Zwar hatte Paul in seiner Studienzeit ein paar Flirts mit den bunten Spontibewegungen und nachher mit den Grünen. Aber irgendwie wollte es nie so recht passen. Vor 2009 war Paul deswegen auch nie Mitglied einer Partei.
Optisch wirkt Paul mit Vollbart und grauem Haar wie die großväterliche Figur der jungen und dynamischen Partei. Dieses Image nutzt er immer wieder aus, um die Piraten auf Kurs zu bringen. Beim Programmparteitag Mitte April in Dortmund ergriff er immer dann das Wort, wenn wichtige Anträge zu scheitern drohten. Sachlich und im Ton entschieden erklärte er dann, warum genau dieser Antrag angenommen werden müsse. Die versammelten Piraten applaudierten ihrem Spitzenkandidaten und folgten seinem Kurs.
Ungeübt auf dem medialen Parkett
Nicht nur die Piratenpartei ist irgendwie anders als die übrigen Parteien. Auch Paul ist nicht so wie die Polit-Profis. So lässt er bei sämtlichen Interviewgesprächen mit Journalisten ein Band mitlaufen - „als Beleg für uns, nicht zur Veröffentlichung“, wie er sagt. Auf dem medialen Parkett, wo jede Äußerung auf die Goldwaage gelegt wird, will sich Paul absichern. Offen geht er auch mit seinen Schwächen um. „Mir geht der Arsch auf Grundeis“, sagte ein sichtlich nervöser Paul am Mittwoch vor der TV-Runde mit allen Spitzenkandidaten. In der 90-minütigen Fernsehsendung ließ er sich seine Aufgeregtheit dann aber nicht anmerken.
Im hektischen Wahlkampf hat der sonst so ruhige Paul, der Mitglied in einem Dackelverein ist, auch mal die Fassung verloren. Besonders unangenehm ist Paul rückblickend eine Äußerung zur FDP. Angesprochen auf deren Kritik an den schulpolitischen Vorstellungen der Piraten platzte ihm kurzzeitig der Kragen. „Wer zwei Doktortitel gekauft hat, sollte diesbezüglich die Fresse halten“, diktierte er einem Journalisten in den Notizblock. Paul erkannte seinen Fehler und entschuldigte sich im Nachhinein für den verbalen Ausrutscher.
Bewahrheiten sich die Umfragen und die Piraten ziehen nach der Wahl am 13. Mai in den Düsseldorfer Landtag ein, wird Paul im Parlament vor allem sein Wissen zum nordrhein-westfälischen Schulsystem einbringen können. In den vergangenen Jahren ist er im Auftrag des Landschaftsverbandes Rheinland als Medienpädagoge durchs Land gezogen und hat erfahren, an welchen Stellen es beim punkto Bildung hackt. Im Landtag wird Paul dann auch auf die bisherige Schulministerin Sylvia Löhrmann treffen. Geht es nach Paul, werden die beiden künftig öfters über das Thema Bildung debattieren. „Wir sind gekommen, um zu bleiben“, sagt er. (dapd-nrw)