Berlin/Düsseldorf. . NRW-FDP-Chef Daniel Bahr schließt eine Ampelkoalition nicht aus und Christian Lindner, Spitzenkandidat der Liberalen in Nordrhein-Westfalen, betont die Gemeinsamkeiten mit der SPD. Unterdessen versucht die Parteiführung, eine Personaldebatte um FDP-Chef Philipp Rösler abzublocken.

Die um ihre Existenz ringende FDP versucht sich aus der Bindung an die CDU zu lösen und liebäugelt mit Ampelkoalitionen. „Jede Regierung, in der die FDP liberale Inhalte durchsetzt, ist eine gute Regierung“, sagte der NRW-Landeschef und Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, der „Welt am Sonntag“ auf die Frage nach einem Dreierbündnis mit SPD und Grünen. Der NRW-Spitzenkandidat Christian Lindner betonte Gemeinsamkeiten mit der SPD. Die Parteiführung versuchte unterdessen, eine Personaldebatte um Parteichef Philipp Rösler abzublocken. Diese war durch einen vom Ehrenvorsitzenden Hans-Dietrich Genscher unterzeichneten Wahlaufruf für Lindner verschärft worden.

„In Nordrhein-Westfalen gibt es die interessante Konstellation, dass sich in manchen Aspekten der Industriepolitik einerseits SPD und FDP nahestehen, andererseits CDU und Grüne“, erklärte Lindner. In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ verwies er auf die sozialliberale Tradition in NRW. Bahr forderte, man müsse bei Bündnisfragen von Wahl zu Wahl entscheiden, ob Inhalte und Personen zusammenpassen würden.

Parteichef Rösler vermied in mehreren Interviews eine Antwort auf die Frage nach einer Ampelkoalition. Stattdessen erklärte er lediglich, die FDP müsse zu ihren liberalen Grundwerten stehen. Auch die CDU unterließ eine Bekenntnis zu ihrem bisherigen Wunschpartner FDP. „Das Lagerdenken alten Stils ist vorbei“, sagte der NRW-Spitzenkandidat und Bundesumweltminister Norbert Röttgen, dem Magazin „Focus“. Es seien kreative Lösungen gefordert.

Wahlaufruf von Altliberalen sorgt für Unruhe in der FDP

FDP-intern ging der Führungsstreit weiter, ausgelöst durch einen Wahlaufruf von Altliberalen für Lindner. In dem im „Kölner Stadtanzeiger“ veröffentlichten Appell wird Rösler nicht einmal erwähnt. Stattdessen wird Rösler-Rivale Lindner als neue politische Kraft gefeiert. „Christian Lindner hat kraft seiner Persönlichkeit die politische Landschaft verändert“, heißt es in dem auch von Ex-Außenminister Klaus Kinkel und dem früheren Innenminister Gerhart Baum unterzeichneten Aufruf. Dank Lindner seien viele, von der FDP enttäuschte Bürger bereit, ihr eine neue Chance zu geben. Lindner werde zugetraut, die „große Tradition der Liberalen“ wieder aufzunehmen. Die NRW-Wahl habe eine Bedeutung für die FDP über die Landesgrenzen hinaus.

In dem Aufruf wird festgestellt, Lindner habe für die nötige Klarstellung gesorgt, dass für die FDP eine Haushaltskonsolidierung wichtiger sei als Steuerentlastungen. „Wir brauchen die klare Besinnung der FDP auf unseren grundsätzlichen Ziele“, fordern die drei Politiker. Lindner könne Richtungsentscheidungen mitprägen. Damit beschrieben Genscher, Kinkel und Baum Aufgaben, die eigentlich ein Parteivorsitzender wahrzunehmen hat. Rösler steht seit Monaten in der Kritik, weil es ihm nicht gelingt, die Partei aus ihrem Umfragetief zu führen. Genscher bemühte sich am Samstag, die Wogen zu glätten. Er erklärte, sein Eintreten für Lindner sei nicht als Kritik an Rösler zu verstehen: „Unsere Erklärung hat ausschließlich zum Ziel, Christian Lindner den Rücken zu stärken.“

Persönliche Aungriffe auf Rösler aus der FDP

Allerdings hielt die Kritik auch am Wochenende an. Der schleswig-holsteinische FDP-Vorsitzende und Vize-Regierungschef Heiner Garg sagte, der von Rösler als FDP-Markenzeichen ersonnene Wachstumsbegriff sei „viel zu abstrakt und vieldeutig“. Auch griff er Rösler im „Hamburger Abendblatt“ persönlich an. Er vermisse immer mehr die Fähigkeit Röslers, auf Menschen zuzugehen, ebenso wie persönliche Authentizität.

Gut einen Monat vor der Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Bundesland steht es um die FDP auch in der jüngsten Umfrage schlecht. Nach der Befragung des Meinungsforschungsinstituts Info im Auftrag der „Wirtschaftswoche“ würden die Freidemokraten zusammen mit der Linkspartei mit je drei Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern und aus dem Landtag fliegen. Bundesweit stagniert die Partei einer Emnid-Erhebung zufolge bei vier Prozent. (rtr)