Berlin. Mit seinem Rückzug aus der Europäischen Zentralbank will Jürgen Stark, bisher Chefvolkswirt des Instituts, ein Zeichen setzen. Im Interview sagte er, es sei ihm ein Anliegen zu zeigen, dass er ein großes Problem damit habe, in welche Richtung sich die Währungsunion entwickelt.
Der scheidende Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, sieht seine Rücktrittsankündigung als Weckruf für die Regierungen der Euro-Zone. "Ich wollte schon ein Zeichen setzen, dass jemand, der fast ein Vierteljahrhundert für das Projekt Euro gearbeitet hat, ein großes Problem damit hat, in welche Richtung sich die Währungsunion entwickelt", sagte Stark der "Welt" (Freitagsausgabe).
Im September hatte Stark "aus persönlichen Gründen" seinen vorzeitigen Rückzug aus der EZB angekündigt. Beobachter hatten spekuliert, dass die umstrittene Entscheidung der Notenbank, seit August wieder Anleihen von kriselnden Euro-Staaten zu kaufen, die Ursache für Starks Rückzug war.
"Meine Entscheidung ist nicht an ein singuläres Ereignis geknüpft", äußerte sich Stark nun erstmals selbst zu den Gerüchten. Die Wiederaufnahme der Aufkäufe sei "nur der Anlass für meinen Rückzug" gewesen. Die Entscheidung sei aber im Zusammenhang mit den vergangenen Jahren zu sehen, "in denen die Währungsunion auf ein schiefes Gleis geraten ist", sagte Stark der Zeitung. Konkret kritisierte er eine "schleichende Erosion" der Prinzipien der Währungsunion, wie der Haushaltsdisziplin und der Koordinierung der Wirtschaftspolitiken.
Auch die jüngsten Pläne der EU, den Internationalen Währungsfonds (IWF) mit zusätzlichen Milliarden auszustatten, um genügend Geld für Euro-Krisenländer vorzuhalten, sieht Stark kritisch: "Europa muss seine Probleme selber lösen und die Abhängigkeit von der internationalen Kapitalmärkten durch eine konsequente Fiskalpolitik reduzieren", forderte er. Die Aufstockung des IWF-Topfes sei zudem "ein Versuch, das Verbot der direkten Staatsfinanzierung durch die Notenbanken in Europa zu umgehen". (afp)