Essen. . Jens Weidmann, neuer Chef der Bundesbank, reiht sich in die Riege seiner Vorgänger ein und spart nicht mit Kritik an der Politik. Er sieht die deutsche Notenbank nicht als Instrument der Politik, die Finanzprobleme der Euro-Zone zu lösen.
Der kleine Beutel mit der Erinnerung an den 17. Dezember 2001 liegt in vielen Wohnzimmerschubladen. Damals durften sich die Deutschen die Starterkits abholen - die ersten Münzen der neuen Währung, die zum Jahreswechsel die D-Mark ersetzte.
Im Berliner Finanzministerium haben sie in diesen Tagen den zehnjährigen Geburtstag des Euro gefeiert. Mit dabei war – streng gescheitelt, dunkle Krawatte – der neue Bundesbankpräsident. Jens Weidmann ist seit acht Monaten im Amt. Er durfte reden. Den Zuhörern fiel auf, wie zurückhaltend sein Lob für das Geburtstagskind ausfiel. Es sei „das Symbol der Krise“, sagte er. Feiert man Jubilare so bedeckt?
Bewahrer eines alten Erbes
Weidmanns Zurückhaltung hat Gründe. Mitten in der Krise, die die Schuldenstaaten Europas ausgelöst haben, versucht der neue und bisher jüngste Chef der wohl angesehensten Notenbank der Welt ein altes Erbe würdig zu bewahren. Die Präsidenten der Frankfurter Institution haben immer dann massiv Front gegen die Politik gemacht, wenn ihre Bank als Instrument der Finanzierung von Staatsausgaben herhalten sollte, Stabilität und Sparsamkeit in Gefahr zu geraten schienen, wenn also der Druck da war, „die Druckerpresse anzuwerfen“.
Ja, sagt Weidmann, seine Einrichtung sei dazu da, „Liquidität in die Kreditwirtschaft zu bringen“. Sie sei nicht dazu da, Staatsfinanzierung zu betreiben. Nicht nur, dass die Bundesbank den Aufkauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank strikt ablehnt. Nicht nur, dass sie jeden Zugriff auf ihren drei Tonnen schweren Goldschatz abwehrt. Im Brief an den Bundesfinanzminister ist Weidmann weiter gegangen: Wenn die Krisenstaaten Geld aus einem 200 Milliarden-Topf des Internationalen Währungsfonds IWF haben möchten, dann müsse der Topf weltweit gespeist sein und weltweit zur Verfügung stehen. Er dürfe nicht von Euroländern für angeschlagene Euroländer geschaffen werden. Das wäre Umwegfinanzierung. Das wäre das verbotene Anwerfen der Druckerpresse.
Auch Pöhl und Tietmeyer warnten
Weidmann folgt der Tradition vieler Bundesbank-Chefs, die die Auseinandersetzung mit den Regierenden immer gerne suchten. Wann immer Weidmanns Vorgänger wie Karl Otto Pöhl und Hans Tietmeyer der Politik den Kopf wuschen, hat sich dies später als richtig herausgestellt.
Pöhl warnte kurz nach dem Mauerfall: Die Einführung der D-Mark auf dem Gebiet der DDR werde „enorme Transferleistungen“ des Westens nötig machen. Viele DDR-Betriebe würden bankrott gehen. Tatsächlich blieb von der alten Betriebsstruktur nicht nur nichts übrig. Bis heute kostete die Vereinigung über eine Billion Euro.
Zwei Jahre später zeichnete Pöhls Nachfolger Tietmeyer nach der Maastrichter Entscheidung für eine europäische Währung ein noch schwärzeres Bild. Der Währungshüter wies auf Gefahren zunehmender Verschuldung in undisziplinierten Staaten hin. Verschwender-Regierungen könnten „Trittbrettfahrer“ der sparsamen Länder werden, schrieb er.
Es geht Weidmann um Rechtsstaatlichkeit
Weidmann ist kein Nein-Sager. Er sieht den Euro-Streit auch nicht nur aus ökonomischer Sicht. Wer ihm zuhört, merkt: Es geht ihm um Rechtsstaatlichkeit in Europa, um das Vertrauen der Bürger. Im Bruch der Regeln sieht er die Ursache für die Schuldenkrise. Die Beschlüsse des EU-Gipfels, die Staaten in Euroland zu mehr Etat-Disziplin zwingen sollen, hält er für den guten Ansatz. Aber dem Ansatz müssten Taten folgen. Übrigens: auch deutsche. Die heimische Schuldenbremse sei „mit Leben zu füllen“. Die Botschaft: Lasst Wahlgeschenke bitte in der Schublade.
Gerade sucht die Bundesbank „zahlreiche“ Bachelor-Absolventen für ihre Bankenaufsicht. Die überprüfe vor Ort mehr als 2000 Institute. Das beuge „Finanzkrisen vor und schützt Sparer wie Anleger“, heißt es in der Stellenanzeige. Man fühlt sich wieder stark in Frankfurt. Als Mahner der Politik. Auch als Kontrolleur der Kreditwirtschaft.