Essen. Sie waren filmreif, die Ereignisse, die sich am 14. Mai in New York abspielten: Ein einflussreicher Mann soll ein Zimmermädchen zum Oralsex gezwungen und dann geflüchtet sein. In den folgenden Wochen und Monaten sollte der Fall Dominique Strauss-Kahn die Menschen weltweit beschäftigten.
Sie waren filmreif, die Ereignisse, die sich am 14. Mai in New York abspielten: Ein einflussreicher Mann soll ein Zimmermädchen zum Oralsex gezwungen und dann fluchtartig den Ort des Geschehens verlassen haben. Die Polizei holt ihn kurz vor dem Abflug aus der ersten Klasse einer Maschine nach Paris.
Daraufhin absolviert er vor den Augen der Öffentlichkeit das, was Amerikaner als "perp walk" bezeichnen: das schonungslose Vorführen eines Tatverdächtigen in Handschellen. In den folgenden Wochen und Monaten sollte der Fall Dominique Strauss-Kahn die Menschen weltweit beschäftigten.
Der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde wegen der gegen ihn erhobenen schweren Vorwürfe mehr denn je zu einer Person des öffentlichen Interesses. Der Skandal um DSK, wie der frühere Wirtschaftsminister in seiner französischen Heimat genannt wird, nahm schnell größere Dimensionen an. Es gelangten nicht nur pikantere Details dessen, was in New York vorgefallen sein soll, an die Öffentlichkeit. Auch Einzelheiten aus Strauss-Kahns Privatleben sorgten für Wirbel.
DSK wurde ein Synonym für "dunkle Zusammenhänge zwischen Sex und Macht", wie der "Spiegel" schrieb, für einen "Politiker, der jedes Maß verlor". Dennoch hielt seine dritte Frau Anne Sinclair, eine millionenschwere Fernsehmoderatorin, zu ihm und zeigte sich von seiner Unschuld überzeugt.
Rücktritt als IWF-Direktor
Zwar wies Strauss-Kahn die Vorwürfe der aus Guinea stammenden Hotelangestellten stets entschlossen zurück. Seinen Chefposten beim IWF konnte der einst für seine Rolle im Kampf gegen die Finanzkrise gefeierte Franzose aber nicht mehr halten: Wegen des Sexskandals trat er nur wenige Tage nach seiner Festnahme mit sofortiger Wirkung zurück. In seiner Rücktrittserklärung schrieb er, er denke an seine Familie und wolle den IWF schützen.
Ende Juni deutete sich bereits eine mögliche Wende in dem Fall an. Es wurde bekannt, dass die New Yorker Staatsanwaltschaft erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers von Strauss-Kahn hegte.
Die Hotelangestellte soll falsche Angaben über ihr Verhalten in den Stunden um den mutmaßlichen Übergriff gemacht und über ihren Lebenslauf gelogen haben.
Sensationelle Wende
Kurze Zeit später wurde der 62-Jährige aus seinem Hausarrest in einem luxuriösen Stadthaus in Manhattan entlassen. Im Juli ging die damals 32 Jahre alte Hotelangestellte an die Presse, um den ihrer Ansicht nach irreführenden Darstellungen ihrer Person entgegenzutreten. Später verklagte sie den Ex-IWF-Direktor auf Schadenersatz.
Die sensationelle Wende kam am 22. August: Die Staatsanwälte beantragten, die Anklage gegen Strauss-Kahn fallen zu lassen und begründeten die Entscheidung mit den Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Zimmermädchens. Einen Tag später stellte ein Gericht das Strafverfahren offiziell ein.
Das juristische Verfahren in New York war jedoch nicht das einzige für Strauss-Kahn in diesem Jahr: Die französische Schriftstellerin Tristane Banon reichte im Juli Strafanzeige gegen den promovierten Ökonom wegen versuchter Vergewaltigung ein. Sie wirft ihm vor, sie 2003 während eines Interviews sexuell belästigt zu haben.
"Moralischer Fehler"
Der Skandal kostete Strauss-Kahn nicht nur seinen Posten beim IWF. Auch die französische Präsidentschaft war für ihn nicht mehr erreichbar. Dabei galt er bis zu den Ereignissen im Mai als stärkster Herausforderer von Nicolas Sarkozy bei den Wahlen 2012. Anhänger Strauss-Kahns spekulierten, der Franzose sei möglicherweise Opfer einer Verschwörung geworden. Sie forderten Ermittlungen gegen Sarkozys Partei UMP. Nach einem Bericht des Magazins "New York Review of Books" soll die UMP auf mindestens eine private E-Mail Strauss-Kahns zugegriffen haben.
Inzwischen ist der einstige IWF-Chef in seine französische Heimat zurückgekehrt, wo er im September sein erstes Fernsehinterview seit seiner Festnahme im Mai gab. Seinen sexuellen Kontakt mit der Hotelangestellten bezeichnete er gegenüber dem Sender TF1 als "moralischen Fehler". Die Begegnung habe aber nichts mit Gewalt oder Zwang zu tun gehabt, betonte er und bezichtigte das Zimmermädchen der Lüge. (dapd)
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