Berlin. . Daniel Domscheit-Berg wirft in seinem Buch Wikileaks-Chef Julian Assange mangelnde Sorgfalt vor. Der ehemalige Sprecher der Enthüllungsplattform sagt, Assange hätte die Wikileaks-Idee mit seinem autokratischen Führungsstil verraten.

Daniel Domscheit-Berg sieht befangen aus, fast schüchtern, als er den pompösen Marmorsaal des Berliner Palais am Festungsgraben betritt. Rund zwanzig Kameraleute drängen sich um den Tisch, an dem der ehemalige Sprecher der Enthüllungsplattform Wikileaks gleich seine persönliche Enthüllung präsentieren wird: sein Buch „Inside Wikileaks. Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt“. Vorher jedoch muss er noch in die Kameras der internationalen Presse lächeln. Journalisten aus Russland, Norwegen, Spanien, Berlin - gut 100 Presseleute wollen das nächste Kapitel in der Schlammschlacht um die Deutungshoheit über Wikileaks miterleben.

Das Buch, ab Freitag in Deutschland und demnächst in 19 Ländern erhältlich, soll für Transparenz sorgen, sagt Daniel Domscheit-Berg. Genau wie es Wikileaks auch einmal wollte. Und eben das ist sein Vorwurf: Der Gründer der Plattform, Julian Assange, habe die Wikileaks-Idee verraten. Mit seinem autokratischen Führungsstil, mit „Verantwortungslosigkeit“ gegenüber den Informanten, mit der Neigung, Kritiker mit Anwaltspost zu überziehen. „Kinder sollen nicht mit Waffen spielen“, sagt Domscheit-Berg und meint damit, Assange sei nicht mehr mit der gebotenen Ernsthaftigkeit bei der Sache, und das könne potenziellen Informanten schaden.

Deshalb auch hatte der ehemalige Wikileaks-Sprecher Domscheit-Berg mit einigen Mitstreitern bei ihrem Ausscheiden im vergangenen September noch unveröffentlichte Dokumente und Materialien mitgenommen. Er habe immer wieder versucht, mit Assange eine „saubere Übergabe“ zu arrangieren, aber „bei ihm war der Wille nicht vorhanden“, sagt Domscheit-Berg bei der Buchpräsentation. Die Dokumente seien „neutral zwischengelagert“. „Wir haben bis heute immer kommuniziert, dass wir das Material nicht behalten wollen“, so der Buchautor. Assange hatte schon am Wochenende mit einem Anwaltsbrief gekontert: Die Materialien seien „entwendet“ worden, selbstverständlich seien sie bei Wikileaks sicher.

„Wir waren einmal beste Freunde“

Diese Episode ist nur ein Beispiel in einer langen Reihe von Konflikten zwischen den beiden ehemaligen Partnern Domscheit-Berg und Assange. „Wir waren einmal beste Freunde gewesen, Julian und ich, oder zumindest so etwas in der Art - ich bin heute nicht sicher, ob es diese Kategorie in seinem Denken überhaupt gibt“, schreibt Domscheit-Berg.

Als „Geschichte von zwei Jungen und einem Server“ skizziert er die Anfangszeit von Wikileaks. Er beschreibt, wie sie mit ihrer ersten größeren Veröffentlichung über das Schweizer Bankhaus Julius Bär berühmt wurden und das schließlich der Bank zu verdanken hatten. Die hatte nämlich per Gericht die Website wikileaks.org abschalten lassen, musste aber schnell festzustellen, dass Inhalte aus dem Internet nicht einfach so verschwinden, nur weil eine Seite gesperrt wird.

„Ich glaube sagen zu können, dass wir zusammen die beste Zeit unseres Lebens verbracht haben“, schreibt Domscheit-Berg, der bei Wikileaks „Daniel Schmitt“ hieß. „Ich habe an einem Tag mit dem berühmten Enthüllungsjournalisten Seymour Hersh Pizza gegessen, am nächsten von uns in den Abendnachrichten gehört und am dritten bei Ursula von der Leyen auf dem Sofa gesessen.“

Julian Assange allerdings sei über den gemeinsamen Ruhm zum „Popstar“ geworden. Das meint Domscheit-Berg positiv und negativ zugleich. Assange sei „eine der spannendsten und verrücktesten Gestalten in der aktuellen Medienberichterstattung“, aber auch „paranoid, machtversessen, größenwahnsinnig“.

„Schlammschlacht“ oder „Klarstellung“

Ob es nicht schädlich für das Projekt „Wikileaks“ sei, wenn Domscheit-Berg jetzt per Buch zur Schlammschlacht mit Assange beitrage, fragt der NDR-Journalist Kuno Haberbusch, der die Buchvorstellung am Donnerstag moderiert. „Inside Wikileaks“ sei eine Klarstellung, entgegnet Domscheit-Berg. „Transparenz muss auch für uns gelten. Alles andere wäre ein Widerspruch in sich selbst.“

Deshalb auch sei es durchaus der Sache dienlich, darüber zu schreiben, wie Assange einst eine Katze gequält habe, seiner Auffassung nach, „um sie zu trainieren“. „Es spiegelt meine Erfahrungen mit Julian Assange wider, für mich ist diese Geschichte bezeichnend.“

Wie sich Wikileaks in den vergangenen Monaten entwickelt habe, tue ihm einfach nur Leid, so Domscheit-Berg. „Ich sehe wenig inhaltliche Arbeit.“ Der Fokus liege darauf, Spenden zu generieren.

Die Grundidee von Wikileaks sei damit mitnichten tot. „Ich glaube, dass wir gerade erst am Anfang stehen. Es gibt viel mehr Leute, die Dinge ans Licht bringen wollen, als man denkt“, sagt Domscheit-Berg.

Doch sind Julian Assange und Wikileaks dafür noch die Richtigen? Er hoffe, dass das Projekt sich fängt, sagt er. „Ich halte es für eine wichtige Bereicherung.“ So richtig überzeugt klingt das nicht. (dapd)