Los Angeles. Sein Vater Joe prügelte Michael Jackson zum Erfolg – später stand der Star selbst unter Missbrauchsverdacht. Ein Leben für die Show-Bühne voller Widersprüche. Auf den Spuren des Mythos Michael Jackson, einem Mann, der gerne ein Kind gewesen wäre.
Trauer um Michael Jackson
Die Show war sein Leben. Aber war umgekehrt sein Leben kaum mehr als eine Show? Was war wahr, was inszeniert? Was ist Mythos, was Wahrheit? Michael Jacksons Leben und Sterben wirft mehr Fragen auf, als dass es Antworten gibt. Unsere Spurensuche führt in die Sechziger, das Jahrzehnt, das unser Leben noch heute so stark prägt wie keins davor und keins danach.
Viele Schwarze träumen vom Aufstieg
Die Sechziger. Der Zweite Weltkrieg ist lange vorbei. Selbst der Korea-Krieg ist für die Amerikaner Geschichte. Die Wirtschaft brummt, auch in Gary, US-Staat Indiana. Die 100 000-Einwohner-Stadt bei Chicago am Michigan-See fühlt einen Pulsschlag aus Stahl. Auch die schwarze Bevölkerung spürt, dass es gesellschaftlich scheinbar nur eine Richtung gibt: nach oben. Viele Schwarze träumen vom Aufstieg – wie Joe Jackson. Er ist Kranführer, und er will reich werden, ganz schnell, ebenso seine Frau Katherine. Sie setzen ihre ganze Hoffnung in ihre zehnköpfige Kinderschar, und sie wählen den Weg, der am riskantesten ist: ins Show-Geschäft.
Die Musikindustrie folgt dem Aufschwung. Die Leute haben Geld, immer mehr Geld, es lässt sich leben, und die Leute, gerade die jungen, wollen feiern, auch die schwarze Jugend. Joe Jackson sieht seine Chance. Er drillt fünf seiner Jungs gnadenlos. Fünf Brüder sind sie, fünf Show-Stars sollen sie werden, die Jackson Five, 1965 gründet Vater Joe die wohl erste Boy-Group der Welt mit Jackie, Tito, Jermaine, Marlon und eben Michael.
Kinderarbeit? Die Frage stellt sich nicht
Michael, das zweitjüngste von zehn Kindern, besitzt das größte Talent, wie sich bald herausstellt: Eine bewegliche, hohe Stimme zeichnet Klein-Michael aus, ein Knaben-Sopran, fast so hoch wie eine Mädchen-Stimme. Die Gleichaltrigen lieben ihn dafür: Michael ist ihr Held, zunächst im Großraum Chicago, 1969 landesweit. In diesem Jahr nämlich heuern die Jackson Five bei Motown an, dem Musikkonzern, der da anknüpft, wo der Produzent Leonard Chess aufgehört hatte: Er reißt die Mauern zwischen Schwarz und Weiß kurzerhand ein – gerade weil er sich so angepasst gibt. „I Want You Back" – gleich die erste Single zündet in den Charts. Bereits 1971 startet Michaels Solo-Karriere. Er ist gerade 13. Kinderarbeit? Die Frage stellt sich damals nicht. Der Scheck heiligt die Mittel. Joe Jackson sieht es so – und viele seiner Generation pflichten ihm bei.
Die Jackson Five werden so populär, dass sie von 1971 bis 1973 als Cartoon-Figuren über amerikanische TV-Bildschirme flimmern.
Mitte der 70er. Aus Jungs werden Männer. Sie haben ihren eigenen Kopf. Es gibt Stress. Erst trennen sich die Jackson Five von Motown, wechseln zur Konkurrenz, fortan vermarktet sie Epic. Dann zerbricht das Quintett. Michael geht, er war zuletzt der Chef.
Der Scheck heiligt die Mittel
Chef hin, Karriere her – wird Michael wirklich erwachsen? Zweifel bleiben. Anlässe bietet der Mann, den sie „Jacko" nennen, zuhauf. Er inszeniert sich, gern drapiert mit operettenhaften Zirkus-Uniformen, als Peter Pan der Pop-Musik. Er legt sich, in direkter Anspielung an die Fantasy-Geschichte für Kinder, eine Neverland-Ranch zu. Zudem umgibt sich Jackson am liebsten mit Kindern. Bald kursieren Gerüchte, er komme ihnen zu nahe. Schließlich muss Jackson vor Gericht, zwei Mal wird gegen ihn prozessiert. Dem ersten Verfahren entwindet er sich durch einen Vergleich. 20 Millionen Dollar soll er gezahlt haben. Im zweiten Prozess wird Jackson freigesprochen.
Und Jackos eigenes Familienleben? Zweimal war er verheiratet, darunter mit Elvis-Tochter Lisa-Marie. Drei Kinder hinterlässt der einstige King of Pop, Prince Michael I (12), Paris (11) und Prince Michael II (7). Über sie ist wenig bekannt. Bei öffentlichen Auftritten blieben sie zumeist unsichtbar: Ihr Vater ließ sie verhüllen. Gefährlicher Leichtsinn: „Jacko" hält in Berlin ein Kind aus dem Fenster.