Washington. .

Den USA droht ein diplomatischer Scherbenhaufen. Sie unterliegen zwar der Geheimhaltung, dennoch bringen 251 287 diplomatischen Berichte, die Wikileaks veröffentlichen will, die Großmacht in Bedrängnis.

Zwar unterliegen weniger als die Hälfte der Depeschen, die Wikileaks am späten Sonntagabend ins Internet stellten wollte, der Geheimhaltung. Doch die 251 287 diplomatischen Berichte und rund 8000 Direktiven bringen die Großmacht in diplomatische Bedrängnis.

Wenig von den Berichten ist bewiesen, doch vieles dennoch interessant. Es geht um Einschätzungen der USA zur politischen Lage im jeweiligen Land, um Hintergründe zu Personalentscheidungen und um Psychogramme einzelner Politiker. Darüber hinaus finden sich in den Unterlagen aber auch einige tausend besonders geheime Berichte, die nach dem Wunsch der US-Regierung kein Ausländer je sehen sollte.

Beträchtlicher Flurschaden

Was ist Wikileaks?

Enthüllen und aufklären – das wollen die Erfinder von WikiLeaks. Auf ihrer Homepage werden geheime Dokumente veröffentlicht, die Skandale aufdecken: über die Kundus-Affäre, über Scientology - und aktuell Zehntausende US-Berichte.

Auf der Internet-Plattform WikiLeaks kann jeder anonym Dokumente veröffentlichen, wenn sie im öffentlichen Interesse stehen. So wurden auf der Plattform bereits Unterlagen, die Steuertricks der Schweizer Privatbank Julius Bär offenbaren, Handlungsanweisungen für das US-Gefangenenlager Guantanamo und geheimes Scientology-Material oder die Mitgliederliste der rechten British National Party veröffentlicht. Auf WikiLeaks wurden auch große Teile der Kundusakte sowie ein Video öffentlich gemacht, das zeigte, wie US-Soldaten in Bagdad unbewaffnete Zivilisten erschießen.

Dabei prüft Wikileaks nach eigenen Angaben jedes Dokument auf seine Echtheit. Das Restrisiko, auf eine Fälschung hereinzufallen, liege bei höchstens einem Prozent. Um die Informationen öffentlich zu machen, wurde ein System „für die massenweise und nicht auf den Absender zurückzuführende Veröffentlichung von geheimen Informationen und Analysen“ geschaffen, wird auf der Homepage behauptet. Serverkosten, Registrierungs-Gebühren, Bankgebühren und Bürokratie-Kosten werden durch Spenden von Privatpersonen finanziert. Geld von Unternehmen oder Regierungen nimmt WikiLeaks laut Erfinder Julian Assange nicht an. (vk)

Hier geht’s zur Homepage von Wikileaks.

Der erste nun veröffentlichte Bericht stammt aus dem Jahr 1966. Die meisten Unterlagen jedoch aus der Zeit nach 2004. Alle Daten stammen aus einem weltweit verfügbaren internen Computernetzwerk der amerikanischen Regierung, das so ähnlich auch von deutschen Behörden gepflegt wird. Da der Inhalt der Berichte in der diplomatischen Welt ungewohnt direkt erscheint, wird die öffentliche Wirkung der Dokumente als überaus gefährlich eingestuft. Etliche der Papiere stammen aus den ersten Amtsjahren des amerikanischen Präsidenten Barack Obama. Insgesamt will Wikileaks in den kommenden Tagen rund drei Millionen Depeschen veröffentlichen.

Westerwelle als Ausfall

Schon jetzt ist der Flurschaden beträchtlich, ohne dass nähere Einzelheiten aus den geheimen Kabelberichten bekannt sind. Überstunden am Telefon machten Außenministerin Hillary Clinton und andere Spitzen des US-Außenamtes am Wochenende, um Verbündete von Pakistan über Deutschland bis in die Türkei vorzuwarnen und zu besänftigen. Es geht um angebliche Bestechung in Pakistan oder darum, dass die USA den deutschen Außenminister Guido Westerwelle für einen Ausfall halten. Dann wird aber auch berichtet, dass die USA angeblich die kurdischen Separatisten der PKK unterstützt haben sollen und dass die Türkei mutmaßlich die Terroristen der El Kaida im Irak fördert.

Neben diplomatischen Verwerfungen fürchtet US-Präsident Barack Obama im Zuge der Veröffentlichungen politische Rückschläge, etwa im ohnehin fragilen Verhältnis zu Moskau. Denn auch über den Kreml finden sich in den Dokumenten böse Worte.

US-Soldat als Quelle

Als Quelle des Datenlecks gilt der frühere US-Soldat Bradley Manning. Der 23-Jährigen soll ebenfalls Hunderttausende Dokumente aus dem Irak- und Afghanistan-Krieg aus den US-Netzen gestohlen und an Wikileaks durchgereicht haben. Manning sitzt derzeit in einem US-Militärstützpunkt in Haft.