Berlin..
Die Internetplattform Wikileaks will wohl in der Nacht zu Montag rund 250.000 diplomatische Depeschen von US-Vertretungen aus aller Welt ins Netz stellen. Die Dossiers enthalten offenbar auch für deutsche Politiker wenig schmeichelhafte Passagen.
Neue Enthüllungen der Internetplattform Wikileaks könnten weltweit zu schweren diplomatischen Verwicklungen führen. Die Internetplattform will dem Vernehmen nach in der Nacht zu Montag rund 250.000 diplomatische Depeschen von US-Vertretungen aus aller Welt ins Netz stellen. Die Dossiers enthalten offenbar auch für deutsche Politiker wenig schmeichelhafte Passagen. Besonders kritisch beleuchtet wird demnach der FDP-Vorsitzende, Außenminister Guido Westerwelle (FDP).
Nach Informationen der „Bild am Sonntag“ wird Westerwelle in den Botschaftsberichten als politisch geschwächt eingeschätzt, weil es der FDP nicht gelungen sei, ihre Wahlversprechen durchzusetzen. Ebenfalls soll Westerwelles Kompetenz für das Außenamt kritisch thematisiert worden sein. Demnach schätzten die US-Diplomaten den Vizekanzler zu Beginn der schwarz-gelben Koalition im vergangenen Jahr als jemanden ein, „der seinen Job noch lernen müsse“. Ebenfalls kritisch, aber deutlich positiver soll Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beurteilt worden sein, positiv Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).
Clinton hat Westerwelle vorgewarnt
Die US-Administration hat die deutsche Regierung vorgewarnt, dass eine solche Veröffentlichung bevorsteht. US-Außenministerin Hillary Clinton habe mit Westerwelle telefoniert und das Thema angesprochen, teilte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Sonntag auf dapd-Anfrage mit. Westerwelle wurde in der vergangenen Woche auch bereits vom amerikanischen Botschafter in Deutschland, Philip Murphy, unterrichtet. Der deutsche Außenamtssprecher wollte sich nicht an Spekulationen über den Inhalt der Dossiers oder möglichen Auswirkungen beteiligen.
Murphy bedauerte in einem Gastbeitrag für die „Bild am Sonntag“, dass vertrauliche Diplomaten-Dossiers mit zum Teil kritischen Äußerungen über deutsche Spitzenpolitiker veröffentlicht werden. „Es lässt sich schwer sagen, welche Auswirkungen das haben wird. Es wird zumindest unangenehm sein“, sagte Murphy. Der US-Botschafter fügte in der Zeitung hinzu: „Ich bin sicher, dass die Freundschaft zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland diese Herausforderung überleben wird.“
Die Diplomaten-Papiere sollen aus den Jahren 2006 bis 2009 stammen und detailliert ausführen, wer was wann über wen gesagt hat. Die Amerikaner befürchten nun einen immensen Vertrauensverlust auf diplomatischer Ebene. Murphy betonte: „Als geheim eingestufte diplomatische Schriftstücke sind Dokumente, die nie für die öffentliche Verwendung bestimmt waren.“ Die Veröffentlichung solcher Dokumente werde sich „direkt auf die Zusammenarbeit von Regierungen auswirken und die Welt damit zu einem unsichereren Ort machen. Die Publikation bedeute „eine echte Gefahr für echte Menschen, oft gerade für jene Menschen, die ihr Leben dem Schutz anderer gewidmet haben“, kritisierte der Botschafter und sprach von einem empörenden Vorgehen.
US-Regierung lehnt Gespräche mit Wikileaks ab
Die USA haben kurz vor der angekündigten Veröffentlichung geheimer Dokumente Gespräche mit den Betreibern der Internetseite abgelehnt. „Wir werden uns an keinen Verhandlungen über die Verbreitung illegal erworbener Geheimberichte der US-Regierung beteiligen“, schrieb der Rechtsberater des US-Außenministeriums, Harold Koh, am Samstagabend (Ortszeit) in einem Brief an Wikileaks-Mitbegründer Julian Assange und dessen Anwalt. Dass Wikileaks im Besitz dieses Materials sei, verstoße gegen US-Gesetze.
Nach US-Angaben hatte Assange sich am Freitag an das Außenministerium in Washington gewandt, um Informationen darüber zu erhalten, wer durch die Wikileaks-Enthüllungen gefährdet seien könnte. Koh verurteilte die angekündigte Veröffentlichung der Geheimdokumente scharf und warnte vor „schwerwiegenden Folgen“.
Wikileaks hatte der Öffentlichkeit bereits im Juli 77.000 Dokumente zum Afghanistan-Krieg zugänglich gemacht. Im Oktober veröffentlichte die Plattform dann rund 400.000 geheime Unterlagen des Pentagons zum Irak-Krieg.
Auszüge aus den neuen Enthüllungen sollten am späten Sonntagabend gegen 22.30 Uhr bei „Spiegel“-Online verbreitet werden. „Der Spiegel“ war auch in der Vergangenheit vorab schon mit dem brisanten Wikileaks-Material versorgt worden. (dapd/afp)