Mödlareuth. Ein kleiner Ort, 50 Einwohner, genau an der Grenze zwischen Thüringen und Bayern. Heute fällt die Ländergrenze kaum noch auf, doch zu DDR-Zeiten trennte die Mauer das Dorf Mödlareuth in zwei Hälften. "Little Berlin" wurde es deshalb von den Alliierten genannt.

Gespenstig grau und schier unüberwindbar zogen sich einst die Grenzanlagen mitten durch das kleine Bergdorf Mödlareuth zwischen Bayern und Thüringen. Von mehreren Wachtürmen aus beobachteten Soldaten der Nationalen Volksarmee der DDR das Gebiet der innerdeutschen Grenze. Auch 20 Jahre nach dem Mauerfall sind die Spuren der einst 700 Meter langen Betonmauer in dem 50 Einwohner zählenden Ort noch unübersehbar. Restauriert und weiß getüncht bilden Teile der Grenzanlage heute den Dorfkern von Mödlareuth. Von den amerikanischen Alliierten hatte es aufgrund seiner Teilung den Namen «Little Berlin» erhalten.

Rüberwinken verboten

«Von DDR-Seite aus zu winken war den Leuten schon verboten», erinnert sich die Hobbyhistorikerin Jutta Schaffner aus Franken an den bedrückenden Alltag an jener Grenze. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie über 40 Jahre das Leben an der Grenze fotografisch dokumentiert. «Besonders schlimm war es in den Jahren nach 1952. Manche sind vom Heuboden ihrer Scheunen auf die andere Seite gesprungen», sagt Schaffner. An den Zustand im geteilten Dorf hätten sich die Leute jedoch im Laufe der Jahre gewöhnt. «In den Achtzigern musste der Grenzbach neu gebettet werden, und da ging für kurze Zeit die Mauer auf. Das war für uns im Westen fast aufregender als für die Ostdeutschen», sagt Schaffner.

Mit 30 000 Fotos bildet das Lebenswerk der Schaffners heute das Rückgrat des Deutsch-Deutschen Museums in Mödlareuth. Rund 70 000 Besucher aus aller Welt strömen alljährlich hierher. Gezeigt wird die Geschichte des außergewöhnlichen Dorfes, das bereits um 1850 geteilt und nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Synonym der deutschen Teilung wurde.

Von Ost-West-Trennung ist nichts mehr zu erkennen

Die Dokumentation endet mit jenen Tagen im Juni 1990, als die Mauer auch in Mödlareuth eingerissen wurde. Darüber, wie sich das Zusammenleben beider Seiten seitdem entwickelt hat, ist in dem Mauermuseum nichts zu erfahren. Und viele Dorfbewohner wollen darüber nur ungern reden.

Der Grund sei, dass viel Unwahres über sie in den vergangenen Jahren berichtet worden sei. «Wir leben immer noch in getrennten Welten, wird behauptet. Und wir würden uns mit denen drüben eigentlich nur streiten», schimpft eine alte Bäuerin auf Thüringer Seite über den Holzzaun ihres Gartens hinweg über das, was sie gelegentlich über ihr Dorf in der Zeitung liest. Weshalb so etwas geschrieben wird, dafür hat die alte Frau gleichfalls eine Erklärung parat. «Das mit dem Ost und West passt doch vor allem Journalisten und Politikern gut in den Kram. Bei uns ist man mit so was aber absolut falsch», sagt die Bäuerin und gerät dabei fast in Rage.

Bei "Dorfteich in Flammen" packen alle mit an

Dass sie recht hat mit ihrer Einschätzung und die Menschen in Mödlareuth auch nach dem Abebben der Wendeeuphorie im Alltag zusammengefunden haben, bestätigt auch Yvonne Wittich. Die gebürtige Vogtländerin kam erst vor sieben Jahren zusammen mit ihrem aus Bayern stammenden Mann nach Mödlareuth. Am Ortsrand hat das Ost-West-Paar ein Haus gekauft und restauriert. Von einem Konflikt haben sie seitdem nichts mitbekommen. «Unsere Kinder gehen mal zu dem oder zu dem. Da spielt es überhaupt keine Rolle, ob das in Ost oder West ist», sagt Wittich.

Und auch die Älteren gingen ohne jede Vorbehalte miteinander um. «Bei Festen wie dem 'Dorfteich in Flammen' und zu Ostern packen alle mit an. Und gefeiert wird auch gemeinsam», sagt Wittich. Gleichwohl schätzt sie, die schon als junges Mädchen aus Furcht vor drohender Arbeitslosigkeit ihre sächsische Heimat in Richtung Bayern verließ, dass vieles in Mödlareuth nur deshalb funktioniert, weil man von der Natur erzwungen miteinander auskommen muss. «Es ist hier viel zu eng, als dass man sich aus dem Weg gehen könnte. Man kann gar nicht anders, und das ist vielleicht der Unterschied zu anderen Gegenden», glaubt sie. (ddp)