Witten. . Patrick Bräuer arbeitet in einer Wittener Awo-Kita. Für die Kinder sei das ein Traum, sagt seine Kollegin. Doch auch er kämpfte mit Vorurteilen.

Schutzsuchend huscht die kleine Milla zu Patrick Bräuer, der auf einem der Stühlchen im Essensraum der „Kleinen Strolche“ Platz genommen hat, gräbt ihre Finger in seine Jeans. Mit diesem Rückhalt lässt es sich besser die fremde Person im Raum – sprich die Reporterin – beobachten. Auch als der Erzieher aufsteht, um einem anderen Kind beim Aufräumen zu helfen, tippelt sie ihm hinterher. „Dabei hat Milla am Anfang sogar immer geweint, wenn sie mich gesehen hat“, erinnert sich der 30-Jährige. „Es hat knapp zwei Monate gedauert, da waren wir beste Freunde.“

Patrick Bräuer ist so etwas wie ein Pionier. Als einer von wenigen Männern arbeitet er in der Frauen-Domäne Kita. Der Anteil an männlichen Erziehern liegt NRW-weit aktuell bei etwas über vier Prozent. In der Kita Kreisstraße arbeitet Bräuer seit 2013 Seite an Seite mit Einrichtungsleiter Torsten Beerhenke. Und die beiden wissen, wie es ist, kritisch wegen ihres Geschlechts beäugt zu werden.

„Die Akzeptanz ist größer geworden

Kita-Leiter Torsten Beerhenke.
Kita-Leiter Torsten Beerhenke. © Jürgen Theobald

„Während meiner Ausbildung wollte ein Elternpaar, dass ich beim Wickeln die Tür auflasse“, erinnert sich Bräuer. Doch die Einrichtungsleitung stellte sich damals hinter hin, sprach ihm das Vertrauen aus. Als Kita-Leiter Beerhenke seinen ersten Job als Erzieher antreten wollte, versuchte sogar ein Mitglied des Elternbeirats, eine Unterschriftenliste zu starten, um seine Einstellung zu verhindern. „Aber das war 1996, ich habe das Gefühl, seitdem ist die Akzeptanz sehr viel größer geworden“, sagt der 47-Jährige.

Warum die beiden den Beruf des Erziehers gewählt haben? „Mir wurde der Praktika fürs Fachabitur klar“, erinnert sich Bräuer. „In der Kita hatte ich total viel Spaß und habe die Offenheit der Kinder genossen. Hier werden ja die Grundsteine für den weiteren Weg der Kinder gelegt.“ Auch für Beerhenke war nach einer Schlosserlehre schnell klar, dass er einen anderen Weg einschlagen wollte. „Kinder ins Leben zu begleiten ist einfach eine tolle Herausforderung“, sagt er.

Mediator-Rolle im Kollegen-Team

Ein paar wenige Kinder seien zu Beginn etwas zurückhaltend, wenn sie Bräuer in der Gruppe sehen würden, erzählt seine Kollegin Anke Henrichsen, doch das lege sich immer sehr schnell. „Für die Kinder ist es ein Traum, dass Patrick hier ist. Sie lieben ihn einfach“, sagt die 41-Jährige. „Er macht das alles ganz instinktiv und mit viel Hingabe.“

Patrick Bräuer, links, und Torsten Beerhenke, rechts, lesen mit Kindern der Krabbelgruppe der Awo-Kita Kreisstraße.
Patrick Bräuer, links, und Torsten Beerhenke, rechts, lesen mit Kindern der Krabbelgruppe der Awo-Kita Kreisstraße. © Jürgen Theobald

Zudem sei er im gemischten Team auch gerne der Mediator zwischen den Kolleginnen. Unterschiede im Umgang mit den Kindern gebe es nicht wirklich. „Vielleicht lasse ich die Kinder mehr an ihre Grenzen gehen. Aber generell denke ich, das ist eine Typsache, keine Frage des Geschlechts“, sagt Bräuer. Die Kinder würden den männlichen Part in ihrem Alltag wertschätzen – vor allem, wenn er zuhause fehle.

Sieben Erzieher in den zehn Awo-Kitas

In den zehn Wittener Kitas der Awo arbeiten aktuell sieben männliche Erzieher. „Wir freuen uns immer über männliche Bewerber“, betont Fachreferentin Heike Wallis-van der Heide. Die Awo nahm von 2011 bis 2013 an einem bundesweiten Programm teil, dass mehr Männer in Kitas bringen sollte – und konnte so ihren Anteil an männlichen Erziehern von vier auf acht Prozent verdoppeln. „Männliche Bezugspersonen sind in der Erziehung bis zum Ende der Grundschule fast nicht vorhanden. Umso wichtiger ist es, das wir da weiter aufsatteln“, so Wallis-van der Heide.

Die Reaktionen auf ihre männlichen Mitarbeiter sei meist positiv. „Viele Eltern sind sehr erfreut darüber“, sagt die 56-Jährige. Nur vereinzelt gebe es Eltern, die nicht wollen, dass ein Mann wickelt. „Aber ein Generalverdacht darf nicht sein“, betont Wallis-van der Heide. So sieht das auch Beerhenke: „Wer ein Problem mit Erziehern hat, für den sind wir definitiv die falsche Kita.“

>>> Zwei Männer in städtischen Kitas

Die 8 städtischen Kitas beschäftigen aktuell 130 Erzieherinnen, darunter 2 Männer. Vier weitere machen gerade eine Ausbildung.

Im Trägerverbund ev. Kindertagesstätten des Kirchenkreises Witten-Hattingen arbeiten in den zwölf Wittener Einrichtungen vier männliche Erzieher, im gesamten Trägerverbund sechs.