Witten. Wilfried Schnepp, Professor für Pflegewissenschaften an der Uni Witten-Herdecke, hat mitgemacht. Am Samstag hat sich der ehemalige Krankenpfleger gemeinsam mit Kollegen auf den Berliner Platz gelegt – um auf die Misstände in der Pflege aufmerksam zu machen.
Sie waren rund 30, kamen mit Kind, Hund und Plakaten, auf denen stand „Pflege hat in der Politik keine Lobby“ oder „Pflege, bitte nicht mehr mit der Stoppuhr“. Am Samstag um 11.55 Uhr brachten sie Passanten zum Staunen: Pflegekräfte, die sich für zehn Minuten auf den Berliner Platz legten. Männer und Frauen, die sich der bundesweiten Bewegung „Pflege am Boden“ angeschlossen haben, und mit solchen Aktionen auf die Missstände in ihrem Beruf aufmerksam machen wollen. Unter ihnen, Wilfried Schnepp, Professor für Pflegewissenschaften an der Uni Witten-Herdecke.
Bevor er studierte, hat er rund 20 Jahre als Krankenpfleger gearbeitet, die meiste Zeit auf Intensivstationen. „Der Pflegenotstand steht uns nicht bevor, wir sind bereits mittendrin“, sagt der 57-Jährige. Und fügt hinzu: In Deutschland werde nicht mehr gepflegt. „Da werden noch Medikamente verteilt und die Patienten bewacht.“ Dadurch, dass Kliniken für die Behandlung eines Kranken einen festen Betrag erhielten, die Fallpauschale, würden Patienten oftmals auch zu früh aus den Kliniken entlassen. „Wie diese dann zurecht kommen, interessiert keinen.“ Da werde so mancher zu früh Entlassene dann zu Hause krank.
„Ich kenne Kollegen, die Angst haben, zur Nachtschicht zu gehen“
Eine Nachtschwester oder ein Nachtpfleger für eine ganze Krankenhaus-Station, auch mit Frischoperierten, sei in Deutschland die Regel, erzählt Schnepp weiter. „Ich kenne Kollegen, die Angst haben, zur Nachtschicht zu gehen, weil sie wissen, dass sie im Falle eines Falles nicht überall sein können.“
In Holland, so der Professor, hätte eine Pflegekraft in einer Klinik, im Vergleich zu deutschen Kollegen, nur ein Drittel der Patienten zu versorgen. „Dort macht man auch zu dritt oder viert die Nachtschicht.“
Betina Häuszler ist auch eine Praktikerin. Die Leiterin eines ambulanten Pflegedienstes aus Wetter hat die „Liege-Aktion“ am Samstag mitorganisiert. Pflege mit der Stoppuhr hält die 49-Jährige für menschenunwürdig. „Aber auch ich muss bei der Arbeit ständig auf die Uhr gucken. Dabei hätten die alten Menschen, Gespräche, Zuwendung so nötig.“ Betina Häuszler sagt, sie bekomme keine Pflegekräfte mehr, obwohl sie sie brauchen würde. „Für junge Menschen ist der Beruf nicht mehr attraktiv.“ Die Folge: Häuszler muss Pflegebedürftige ablehnen, weil sie keine Mitarbeiter hat, die sich um diese kümmern können.