Witten. . Die Universität Witten-Herdecke hat eine schwierige Zeit hinter sich: Vor vier Jahren stand sie vor dem Aus. Aber jetzt schreibt sie schwarze Zahlen. Der neue Kanzler sieht die Möglichkeit, die Uni weiterzuentwickeln. Das betrifft vor allem den neuen Studiengang Psychologie.
Vor vier Jahren stand die Universität Witten/Herdecke vor dem Aus, jetzt schreibt sie schwarze Zahlen. Wie sie der neue Kanzler Jan-Peter Nonnenkamp in die Zukunft führen will, darüber spricht er im Interview mit unserer Zeitung.
Sie sind für vier Jahre berufen worden. Welche Ziele haben Sie?
Die Uni hat eine schwierige Zeit hinter sich. Jetzt hat sie einen ausgeglichenen Haushalt. Natürlich ist das Geld immer noch knapp wie bei jeder gemeinnützigen Einrichtung. Aber wir haben jetzt die Möglichkeit, die Uni weiterzuentwickeln.
Was haben Sie konkret vor?
Wir wollen den neuen Studiengang Psychologie, für den es eine riesige Nachfrage gibt, vergrößern und die Zahl der Studierenden im Bachelorstudiengang bereits zum kommenden Wintersemester von 35 auf 70 erhöhen. Zusätzlich wird auch ein entsprechender Masterstudiengang beginnen. Dafür, aber auch für andere Studiengänge, brauchen wir natürlich mehr Platz. Wir denken über ein Haus der Psychologie oder ein Haus der Nachhaltigkeit auf dem Campus nach. Das sind aber nur erste Überlegungen, die in den intensiven und konstruktiven Gesprächen mit der Stadt entstanden sind. Das Ergebnis ist noch offen.
Wann soll es losgehen?
In den nächsten zwei Jahren.
Wird es dafür Einschnitte beim Personal geben?
Natürlich versuchen wir, so sparsam wie möglich zu haushalten. Aber es wird kein Sparprogramm bei Mitarbeitern geben. Im Gegenteil: Wir haben neue Mitarbeiter gewonnen und zum ersten Mal seit sieben Jahren wieder die Löhne und Gehälter erhöht, im Schnitt um 3,5 Prozent. Das war auch nötig.
Steigen die Studienbeiträge?
Sie werden regelmäßig überprüft. Aber an unserem Grundsatz wird sich nichts ändern: Wir wollen keine soziale Selektion. Das Studium soll jedem möglich sein. Dafür haben wir den umgekehrten Generationenvertrag.
Kann sich die Uni unabhängig von den Landeszuschüssen machen?
Aktuell ist das nicht darstellbar. Die Uni bekommt seit 1996 unverändert jährlich 4,5 Millionen vom Land. Seither gab es aber eine Inflation von 2 bis 3 Prozent pro Jahr, kumuliert also 50 Prozent! Der Zuschuss hat also heute nur noch den halben Wert. Gleichzeitig haben wir doppelt so viele Studenten wie 1996. Und unser Studium ist im Vergleich zu staatlichen Universitäten sehr kostengünstig.
Also plädieren Sie für eine Erhöhung des Zuschusses
Mit Blick auf die von uns in Forschung, Lehre und Gesellschaft erbrachten Leistungen erscheint uns eine Angleichung angemessen. Unsere Universität leistet darüber hinaus einen wichtigen Beitrag für den Strukturwandel im Ruhrgebiet. Über 500 Menschen sind an der Uni beschäftigt. Das ist wichtig für die Region und das Land.
Bei Ihrer Antrittsrede sprachen Sie von einer Internationalisierung der Uni, auch nach China.
Wir verstehen uns als regional verwurzelte Hochschule. Aber wir nehmen mit unseren Instituten in Deutschland und auch in Europa eine führende Position ein. China ist für mich interessant, weil es der politischen Führung gelungen ist, 500 Millionen Menschen in 20 Jahren von absoluter Armut zu einer gewissen wirtschaftlichen Sicherheit zu führen. China ist die Weltmacht von morgen. Schon jetzt gibt es Kooperationen des medizinischen Departments mit einer chinesischen Uni in Guangzhoe, dem früheren Kanton. Das und den Austausch von Studierenden möchte ich weiter ausbauen.
Sind Sie ein Idealist, weil Sie auf Ihr hohes Gehalt als Vorstand eines DAX-Unternehmens verzichten, um an die Universität Witten/Herdecke zu gehen?
Ein bisschen schon, aber Idealisten sind hier viele. Es macht einfach Spaß, hier zu arbeiten. Es gab bisher keinen Tag, an dem ich nicht gerne zur Uni gekommen bin. Und das kann ich nicht von jedem Job sagen, den ich in meinem Leben gemacht habe – auch wenn der deutlich besser bezahlt war. Ich wollte nach 20 Jahren in führenden Positionen in der Wirtschaft einfach etwas anderes machen. Die Universität Witten/Herdecke bringt umfassend gebildete Persönlichkeiten hervor. Das reizt und motiviert mich.
Sie haben in Witten studiert, ihr Kanzler-Vorgänger Michael Anders auch, ebenso der Präsident Martin Butzlaff. Woher kommt diese besondere Verbundenheit mit dieser Hochschule?
Das sind die gemeinsamen Werte, besonders das Gefühl der Verantwortung der Gesellschaft gegenüber, im Leben etwas Sinnvolles zu tun. Ich glaube, dass das die Menschen, die hier studieren, ein Leben lang begleitet.
Fahren Sie jetzt auch mit WIT-Kennzeichen? Möglich ist das ja mittlerweile.
Ich wohne in Bochum. Aber für meinen Dienstwagen hätte ich gerne ein WIT.
Interview: Claudia Scholz