Witten. . Noroviren an der Hüllbergschule, immer mehr Fälle antibiotikaresistenter Keime in Krankenhäusern: Wieso verbreiten sich Keime so schnell und wie kann man sich am besten davor schützen?

Der Noroviren-Fall kürzlich in der Hüllbergschule mit über 70 Erkrankten, davor die Brechdurchfall-Epidemie in Ostdeutschland mit über 8000 Betroffenen – die Gefahr durch die unsichtbaren Krankheitserreger kann Angst machen. Warum sich die Erreger so schnell ausbreiten und wie man sich schützen kann, erklärt der Wittener Virologe Prof. Manfred H. Wolff.

Trügt der Eindruck oder nimmt die Zahl der Infektionen tatsächlich zu?

Prof. Manfred H. Wolff: Beim Beispiel Noroviren ist sie angestiegen. Gab es Anfang der 2000er Jahre etwa 20 000 gemeldete Fälle, waren es im letzten Jahr über 100 000. Und 2012 waren es bis zur 44. Woche bereits über 80 000. Und das waren nur die gemeldeten Fälle, die Dunkelziffer liegt ca. viermal so hoch.

Warum breiten sich Noroviren so schnell aus?

Das Reservoir dieser Erkrankung ist der Mensch. Er scheidet zehn hoch zehn bis zehn hoch zwölf Viruspartikel pro Gramm Stuhl aus. Für eine Infektion reichen bereits zehn bis 100 Partikel. Zum Vergleich: Um sich mit Salmonellen anzustecken, müssen 10 000 bis 100 000 Bakterien aufgenommen werden. Das A und O ist die Hygiene. Händewaschen allein reicht da nicht. Ich bin kein Freund davon, zu Hause gewohnheitsmäßig Desinfektionsmittel einzusetzen. Wenn aber eine Noroviren-Infektion bei einem Familienmitglied festgestellt wurde, muss desinfiziert werden. Händewaschen reduziert nur die Viren, vernichtet sie aber nicht.

Wie sieht es in Küchen aus, die für Schulen, Kitas oder Altenheime kochen?
Da ist Hygiene immer Pflicht. Die Mitarbeiter müssen ihre Hände desinfizieren – mit einem viruziden Mittel, das sie eine Minute lang einwirken lassen. Erst dann können sie die Lebensmittel berühren.

Bei dem Fall in Ostdeutschland waren die Viren in chinesischen Tiefkühl-Erdbeeren. Wieso vertragen diese Erreger Kälte?
Durch tiefe Temperaturen werden Viren und Bakterien nicht abgetötet. Im Gegenteil: Wir Mikrobiologen bewahren sie bei 180 Grad minus in flüssigem Stickstoff auf. Nur Kochen tötet sie ab.

Stimmt es, dass auch die MRSA-Infektionen in Krankenhäusern zunehmen?
Zumindest nehmen sie nicht ab. MRSA-Keime sind antibiotika-resistente Eitererreger. Wenn diese in eine Wunde gelangen, kann sie nicht abheilen. Im schlimmsten Fall muss das Körperteil dann amputiert werden, oder im Körper entsteht eine Blutvergiftung.

Warum sind dann MRSA-Fälle in Holland seltener als bei uns?
Deutlich sogar. Dort liegen sie unter einem Prozent, bei uns bei 20 bis 25 Prozent, in Japan sogar bei 75. Der Unterschied ist, dass jeder, der in Holland ins Krankenhaus kommt, zuerst einem „Screening“ unterzogen wird. Dort wird ein Abstrich genommen, ein Test auf MRSA. Das geht mittlerweile recht schnell und ist kostengünstig. Fällt der Test negativ aus, kann der Patient auf die Station. Wenn nicht, wird er isoliert und behandelt.

Warum klappt das hier nicht flächendeckend?

Das Argument ist häufig: Das ist zu teuer. Aber der Test kostet maximal 20 Euro. Und wenn man bedenkt, wie teuer es wird, wenn es zu einer Infektion kommt.

Schweinegrippe und Vogelgrippe sind nur zwei Stichworte. Immer wieder in den letzten Jahren warnten Wissenschaftler vor dem Ausbruch eines Superkeims. Müssen wir uns Sorgen machen?
Ich bin da sehr ruhig. Es liegt in der Natur dieser Viren, dass sie sich verändern. Aber mit einem Superkeim ist so bald nicht zu rechnen.